»Niemand sollte ein Konzert deprimiert verlassen«
Interview: Jan GreveAn diesem Sonnabend werden bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin rund 3.000 Teilnehmer erwartet. Neben politischen Beiträgen wird es auch wieder ein Kulturprogramm geben. Was können die Besucher von Ihrem Auftritt erwarten?
Wir werden dort mehrere Lieder spielen. Eines hat den Titel »Humans Humans«, ein Afrobeat-Song. Im Text geht es darum, dass wir alle Menschen sind, niemand von uns perfekt ist und Mutter Natur das letzte Wort hat. Ein anderes Stück heißt »Don’t Touch My Friend«, ist vom Gospel inspiriert und handelt von Toleranz. Jeder kann glauben, woran er will, solange wir respektvoll miteinander umgehen – das ist die Botschaft.
Wie würden Sie Ihre Musik beschreiben?
Am ehesten als Afrosoul. Bei uns kommen verschiedene Genres zusammen, von Funk über Blues, Soul bis hin zu Einflüssen afrikanischer Musik.
Für viele Menschen steht bei Funk oder Soul der Unterhaltungswert im Vordergrund. Dabei sind die Ursprünge dieser Musikrichtungen eng mit der Bürgerrechtsbewegung in den USA, also politischen Kämpfen, verbunden. Welche Rolle spielt das für Sie?
Das ist für uns sehr wichtig. Wir haben unseren Namen »Black Heritage« (»Schwarzes Erbe«, jW) nicht zufällig gewählt. Wir spielen immer wieder Songs von Marvin Gaye oder Curtis Mayfield. Für die meisten sind diese Musiker vor allem Entertainer. Aber wenn man sicher näher mit ihren Texten beschäftigt, sieht man, dass sich etwa Marvin Gaye auf seinem berühmten Album »What’s Going On« gegen den Vietnamkrieg richtet. Er hat sich für die Rechte der Schwarzen, aber auch ganz generell für die Rechte aller Menschen eingesetzt.
Stört es Sie, wenn die politische Dimension dieser Musik ignoriert wird?
Nein, so würde ich das nicht sagen. Musik ist für uns ein Medium, mit dem wir unseren Hörern eine Botschaft vermitteln wollen. Wir wollen dabei auch erreichen, dass Menschen Spaß haben. Das schönste Kompliment, was man mir machen kann, ist zu sagen: Durch deine Musik fühle ich mich gut. Niemand sollte ein Konzert deprimiert verlassen.
Die Kämpfe der US-Bürgerrechtsbewegung in den 1950er und ’60er Jahren haben zahllose Menschen inspiriert. In den vergangenen Jahren protestierte die »Black Lives Matter«-Bewegung in den USA wiederholt, weil Rassismus und Polizeigewalt weiter an der Tagesordnung sind. Hat sich die Lage kaum verändert?
Es existiert ein relevanter Unterschied. Denken wir an die Ermordung von George Floyd durch einen Polizisten 2020. Solche Dinge hat es schon früher in den USA gegeben, auch während meiner Jugend. Aber damals hatten wir keine Smartphones und kein Social Media, durch die heute Bilder und Videos in Echtzeit um den Globus gehen. Mich freut es sehr, dass junge Menschen aufstehen und sagen: So kann es nicht weitergehen. Beeindruckt hat mich auch zu sehen, dass meine weißen Brüder und Schwestern sich erhoben haben, als Schwarze von der Polizei ermordet wurden. Die Botschaft lautet: Jeder muss in Frieden leben können, und wenn jemand Gewalt anwendet, gehen wir dazwischen.
Für Musiker und andere Künstler waren die vergangenen Pandemiejahre eine schwere Zeit. Konzerte wurden abgesagt, Auftritte verschoben. Wie ist die Lage derzeit bei Ihnen?
Vor Corona habe ich mit meinen Bands »Black Heritage« und »Funky Soul Kitchen« viel gespielt – durch die Pandemie wurde die Zahl unserer Auftritte auf nahezu null reduziert. Ich bin froh darüber, dass die harten Maßnahmen ein Ende haben. Aber das Musikgeschäft hat sich nicht vollständig erholt. Die Anzahl an Konzerten und Shows ist noch nicht auf dem Niveau von vor der Pandemie. Ich hoffe darauf, dass sich die Lage in diesem Frühjahr und Sommer bessert.
Mike Russell ist Mitglied der Band »Black Heritage« und wird gemeinsam mit Mfa Kera am Sonnabend bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin auftreten. Geboren wurde der Gitarrist in Washington DC, seit mehr als 30 Jahren lebt er in Berlin
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