Die Spur der Flöhe
Von Sebastian Köpcke und Claudia OpitzFür Floh de Cologne ist 2023 ein erstaunliches Jahr. Vier Jahrzehnte nach Auflösung der legendären Kölner Politrockband scheint sich für sie erneut der Vorhang zu heben. Ihre Chile-Kantate »Mumien« erlebte in Erinnerung an den 11. September 1973 eine filmische Wiederaufführung, eine Neuveröffentlichung ihrer frühen Werke auf CD und Vinyl ist in Vorbereitung.
Es geht noch weiter. Mitte Juli hatte die Stadt Köln entschieden, ihren einstigen musikalischen Rebellen den Holger-Czukay-Preis für deren Lebenswerk zu verleihen. Diesen Preis, benannt nach dem Bassisten der großen Krautrockband Can, Holger Czukay (1938–2017), erhalten seit 2019 Künstlerinnen und Künstler, die »in ihren Werken Spuren in Köln hinterlassen haben oder aktuelle Entwicklungen beeinflussen und mitprägen«.
Am 21. November nun bekamen die Gruppe Klee, die Nachwuchskünstlerin Ray Lozano und eben die »Flöhe« diesen in der Bundesrepublik höchstdotierten Preis für Popmusik im Club Bahnhof Ehrenfeld von Oberbürgermeisterin Henriette Reker überreicht. So unterschiedlich wie die Preisträger, so buntgemischt füllte das Publikum den Saal. Mehrere Generationen und Geschlechter bildeten an diesem Abend, durch die Bindekraft der Musik vereint, eine friedliche Gemeinschaft. Über alle Unterschiedlichkeit hinweg vermochten es die anwesenden alten weißen Männer von Floh de Cologne, Dieter Klemm, Hansi Frank und Vridolin Enxing, wahre Begeisterungstürme auszulösen.
Henriette Reker, die sich dazu bekannte, als Teenager selbst die »Flöhe« im Konzert erlebt zu haben, könnten jedoch an diesem Abend die Ohren geklingelt haben, als Dietmar Dath, Autor, Journalist, FAZ-Feuilletonist und Kommunist den Saal mit »Liebe Genossinnen und Genossen!« begrüßte. Der Laudator, der ohne Schnörkel und falsche Rücksicht artikulierte, was den Wert der musikalischen, aber vor allem politischen Arbeit der Band noch heute ausmacht, brachte es so auf den Punkt: Wer die Texte einmal verstanden hat, hat für sein politisches Grundverständnis vom Kapitalismus das entsprechende Koordinatensystem.
Insofern hatten die Veranstalter auch mit ihrem Überraschungsgast Klaus der Geiger treffsicher einen Coup gelandet. Klaus Christian von Wrochem (1983) ist eine Kölner Ikone. Der mittlerweile über die Stadtgrenzen hinaus bekannte ehemalige Straßenmusiker fand klare Worte zur virtuos vorgetragenen Musik. Und so klang dieser Teil der Preisverleihung wie das Echo aus einer vergangenen Zeit. Dieter Klemm, der im Namen aller Bandmitglieder eine Danksagung überbrachte, fügte allem eine typische Nuance hinzu: die gleiche Aufmüpfigkeit, der ungebrochene Willen zum Unfrieden mit gesellschaftlichen Missständen, mit dem Floh de Cologne die kleinbürgerliche westdeutsche Gesellschaft bereits vor einem halben Jahrhundert schockierte.
Als Politkabarett der linken APO-Szene 1966 gegründet, avancierten sie in den 70er Jahren neben Ton Steine Scherben zur bedeutendsten links-aktivistischen Band der Bundesrepublik Deutschland. Mit der ihnen eigenen und einzigartigen dialektischen Sichtweise auf die Vorgänge ihrer Zeit, ihrer präzisen Gesellschaftsanalyse und ihrer undiplomatischen Ausdrucksweise eckten sie an und zogen nicht nur Hass, sondern auch 17 Strafanzeigen auf sich. All das konnte sie nicht von ihrem Kurs abbringen, der linken Gegenöffentlichkeit eine Stimme zu geben und mit den Mitteln der Kunst politische Aufklärungsarbeit zu leisten. Ihre kompromisslose Einzigartigkeit ist in das kollektive Gedächtnis der linken Kulturszene eingegangen und hat nunmehr ihre wohlverdiente Würdigung erfahren.
Die Berliner Ausstellungsmacher und Gestalter Claudia Opitz und Sebastian Köpcke haben mit dem Mandat von Vridolin Exing, Hansi Frank, Dieter Klemm und Dick Städtler den Film »Mumien. Kantate für Rockband« von Floh de Cologne wieder sichtbar gemacht. Auf ihrer Webseite findet sich zudem ein Zeitzeugengespräch mit Dieter Klemm und nun auch eine Aufzeichnung der Preisverleihung an Floh de Cologne vom 21. November 2023 in Köln (www.ok-projekt.de).
Floh de Cologne auf der XXIX. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz: Aufführung von »Mumien. Kantate für Rockband« von Floh de Cologne in filmischer Bearbeitung, anschließend ein Gespräch mit Dieter Klemm (Flöhe) sowie Claudia Opitz und Sebastian Köpcke (Filmemacher). Siehe jungewelt.de/rlk
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