Generationswechsel
Von Arnold SchölzelWas bleibt in Erinnerung, eine Woche nach der diesjährigen Konferenz? An erster Stelle der Mut und die Unbekümmertheit der jungen Leute, die mehr als die Hälfte der 3.700 Besucher ausmachten. Sie füllten den großen Saal bereits am Vormittag fast bis auf den letzten der freigegebenen Plätze, als der chilenische Komponist Daniel Osorio und die Musikandes klug und eindrücklich an den faschistischen Putsch in Chile am 11. September 1973 erinnerten. Sie machten in Sprechchören ihrer Erbitterung und ihrem Zorn Luft, als auf der Bühne Künstler, Aktivisten und Politiker am Nachmittag einen gerechten Frieden für Nahost einforderten. Diszipliniert und entschlossen.
Es war die Kundgebung einer politischen Generation, die erlebt hat, wie hohl die Phrasen von Demokratie und Grundrechten der in diesem Land Regierenden sind: Polizeiknüppel, Verleumdung und Denunziation für alle, die Solidarität mit der Bevölkerung Palästinas einfordern. Noch bevor die Konferenz beendet war, eröffnete der Berliner Tagesspiegel folgerichtig deren Diffamierung. Den Konflikt, den die Herrschenden so hierzulande gestiftet haben, werden sie – die Vorhersage kann gemacht werden – lange Zeit nicht loswerden. Eben weil sie es nun mehrheitlich mit jungen Leuten zu tun haben – nicht nur im Berliner Tempodrom, sondern in Schulen, Hochschulen, in Betrieben, Büros und auf den Straßen.
Daher bleibt außerdem von dieser Konferenz: Die Warnung vor dem Erstarken des Faschismus – nicht nur in der Bundesrepublik, sondern in faktisch allen Staaten des globalen Nordens. Hierzulande können die Neonazis vor Kraft bereits kaum laufen – ein Ergebnis antisozialer Politik, von Jahrzehnten der Verhätschelung durch Polizei und Justiz, der Steuerung durch Geheimdienste. Alles zusammen ist ein Zeichen für Erstarrung, Zurückbleiben und Verlust der Vormacht des Westens, der gerade erneut große Teile seiner Jugend geistig verliert. Seine selbstgemachten Krisen und seine Kriege, das »Endspiel des Kapitalismus« (Torkil Lauesen), brennen sich in ihr Gedächtnis ein. Vor allem aber nehmen diese Jugendlichen den Aufstieg der Länder des globalen Südens wahr. Konkret auf der Konferenz: Das selbstbewusste Kuba, die Befreiungskämpfer der Frente Polisario in der Westsahara, letzte Kolonie Afrikas, das Verschwinden der Kindersterblichkeit im vom Westen verleumdeten Eritrea.
Diese XXIX. Ausgabe der Rosa-Luxemburg-Konferenz gab besonders viel Kraft, weil sie besonders kraftvoll zeigte: Eine andere Welt ist möglich.
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