75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Donnerstag, 21. November 2024, Nr. 272
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €

Blog

  • 21.09.2021 12:56 Uhr

    Wo ist Rosa?

    Countdown zur Rosa-Luxemburg-Konferenz (8)
    Dr. Seltsam
    Bei den Sozis ist Rosa Luxemburg nie Thema, bei den Kommunisten auch nicht immer – bei der jungen Welt aber seit 1996, als sie die erste Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin organisierte. Und bei Dr. Seltsam, der in Berlin Touren zu ihren Wirkungsorten macht. (jW)


    Im Februar 1915 kommt Rosa für ein Jahr ins »Königlich-preußische Weibergefängnis« Barnimstraße, Zelle 8. Sie hat Magenschmerzen, ihr Haar wird weiß. »Die Dividenden steigen, und die Proletarier fallen.« Das düstere Gebäude wurde längst abgerissen. Der Ort ist schwer zu finden. Es gibt hier einen Verkehrskindergarten, gut so. Eine nette Anwohnerin hat mich im Regen zu einer kleinen Informationstafel an einem Zaun und einer Gedenkstele aus DDR-Zeiten geführt.

    Die »Junius-Broschüre«, 1915 in der Zelle geschrieben, rausgeschmuggelt und in Zürich gedruckt, ist eine geniale Abrechnung mit der SPD: »Geschändet, entehrt, im Blute watend, von Schmutz triefend – so steht die bürgerliche Gesellschaft da, so ist sie. (...) Mitten in diesem Hexensabbat vollzog sich eine weltgeschichtliche Katastrophe: die Kapitulation der internationalen Sozialdemokratie« (durch Kriegszustimmung). Lenin schrieb »Über die Junius-Broschüre«: »Man spürt den allein Dastehenden, der keine Genossen in einer illegalen Organisation hat, die revolutionäre Losungen bis zu Ende durchdenken«. Traurig, aber wahr.

    Die »Junius-Broschüre« ist eine gewaltige Polemik gegen den Burgfrieden der SPD, deren Führung die »linksextremen« Kriegsgegner verfolgen läßt. Am Ende entsteht die USPD nicht etwa durch Abspaltung der Linken, sondern sie werden als kleines Häufchen aus der Partei rausgeschmissen. Offenbar hatte Lenin recht: Man muß sich den Massen rechtzeitig als Kriegsgegner und Antiimperialist bekannt machen, damit sie eine Hoffnung auf Widerstand haben und die Chance des Bürgerkriegs ergreifen. Eine einfache Lehre, die man den Kräften der Linkspartei, die heute zur SPD streben, nicht oft genug vorlegen kann.

    Am 15.April 1915 endlich eine Äußerung der Linken! Es erscheinen die ersten 9000 Exemplare der Monatsschrift Die Internationale. Herausgeber sind Franz Mehring und Rosa (vom Gefängnis aus, über ihre Sekretärin Mathilde Jacob). Das Heft wird sofort illegal, erscheint aber bis Ende 1916 weiter. Die Ausgabe vom Mai 1915 enthält Liebknechts Massenflugblatt »Der Hauptfeind steht im eigenen Land!«. Am Neujahrstag 1916 tagt in Liebknechts Wohnung die kleine erste »Reichskonferenz der Linken«. Diskussionsgrundlage sind Rosas politische »Leitsätze«, als Kassiber aus dem Knast geschmuggelt.

    Am 1. Mai 1916 ist Rosa auf dem Potsdamer Platz dabei, als Liebknecht auf einen Laternensockel steigt und in die Menge brüllt: »Nieder mit dem Krieg! Nieder mit der Regierung!« Seine umgehende Verhaftung kann nicht verhindert werden, aber sein Beispiel, sein Aufruf, wird weitergetragen. Heute erinnert ein Denkmalsockel vor dem Balzac-Kaffeeladen an diese Demonstration, auf die man – große Ausnahme – als deutscher Mensch stolz sein kann.
  • 21.09.2021 12:56 Uhr

    Wo ist Rosa?

    Countdown zur Rosa-Luxemburg-Konferenz (7)
    Dr. Seltsam
    Bei den Sozis ist Rosa Luxemburg nie Thema, bei den Kommunisten auch nicht immer – bei der jungen Welt aber seit 1996, als sie die erste Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin organisierte.Und bei Dr. Seltsam, der in Berlin Touren zu ihren Wirkungsstätten veranstaltet. (jW)



    Dieses Jahr erscheint eine Menge Bücher, die den Beginn des Ersten Weltkrieges als zufällige dynastische Fehde, in der es den Herrschenden um Rache und Ehre ging, darzustellen versuchen. Lenin, Luxemburg und anderen europäischen Linken war aber klar, daß nun die imperialistische Weltaufteilung mit Gewalt erfolgt.

    Schon vor Kriegsbeginn versucht der deutsche Militarismus, seine wichtigste intellektuelle Gegnerin mundtot zu machen. Bereits am 20. Februar 1914 gibt es den großen politischen Prozeß gegen Rosa vor dem Landgericht in Frankfurt am Main, bei dem sie zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wird, nur weil sie auf einer Kundgebung gesagt hatte, Deutsche und Franzosen würden niemals aufeinander schießen.

    Etwas später, am 29. Juni, versucht die Heeresleitung im Kriminalgericht Moabit, Rosa wegen Beleidigung der Armee zu bestrafen, weil sie Mißhandlungen an Rekruten anprangerte. Nachdem über tausend Soldaten bereit sind, als Zeugen für Rosa aufzutreten, wird dieser Prozeß erst verschleppt und schließlich (ohne formal eingestellt worden zu sein) vergessen, weil die Generäle eine große Blamage fürchteten. Am Vortag war Erzherzog Franz Ferdiannd, der österreichische Thronfolger in Sarajevo, durch serbische Nationalisten erschossen worden.

    Am 28. Juli stellt Österreich Serbien ein Ultimatum, am 29. Juli versichert Albert Südekum, Reichstagsabgeordneter der SPD, dem deutschen Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg, im Namen von SPD und Gewerkschaft, daß die Arbeiter nichts gegen den Krieg unternehmen werden. Am 1. August erklärt Deutschland Rußland den Krieg, am 4. August stimmt die SPD im Reichstag geschlossen für die Kriegskredite.

    Es kommt zum verzweifelten Versuch, die II. Internationale zu retten: Am 29./30. Juli 1914 wendet sich ein Kongreß des Büros der Internationale pathetisch gegen Krieg. »Man wollte Rosa Luxemburg hören, weil man hoffte, diese merkwürdige Frau, die schon eine Tradition als Radikalistin hatte, könne einen Ausweg aus dem bevorstehenden Jammer zeigen. Rosa Luxemburg saß traurig gebrochen auf der Rednertribüne. Sie schaute sich mit einem wehmütigen Lächeln die bei ihr sitzenden Führer und auch Jaurès an und sagte nichts. Ich wußte, daß sie in Deutschland einen Prozeß wegen ihres Antimilitarismus hatte. Ich versuchte, in ihrem damals sehr traurigen Blick und wehmütigen Lächeln zu lesen und fand, daß sie damit der Masse eine stumme, grausame Rede hielt. ›Was wollt ihr? Wie kann ich, eine einzelne Frau, die in der Partei von jedem bekämpft wird, für euch etwas tun? Wenn eure größten und angesehensten Führer, ein Jaurès, auch nichts wollen, nur Reden halten. Eure Führer fürchten, ein Opfer zu bringen.‹ Heute weiß ich ganz genau, daß ich Rosa Luxemburgs nicht gehaltene Rede richtig hörte.« So beschreibt es Emil Sittya, ein polyglotter Zeitzeuge. Am 31. Juli 1914 wird Jean Jaurès in Paris auf offener Straße ermordet. Die ersten Schüsse des Krieges treffen den weltberühmten Pazifisten. Am Beginn eines jeden Krieges, von Gleiwitz bis 9/11, steht solch eine Provokation der Kriegstreiber.

    1915 muß Rosa im Berliner Weibergefängnis in der Barnimstraße, im heutigen Friedrichshain, die Haft antreten. Das Gebäude steht nicht mehr. Hier verfaßt sie unter dem Pseudonym »Junius« ihre berühmte Streitschrift »Die Krise der Sozialdemokratie«. Fast muß man den Richtern dankbar sein, daß sie ihr die Gelegenheit zum Schreiben dieser mitreißenden Polemik gegeben haben. Schon drei Monate nach ihrer Entlassung 1916 wird sie wieder ins Gefängnis geworfen.
  • 21.09.2021 13:02 Uhr

    Laßt es fließen

    Strom & Wasser scheren sich weder um politische noch um musikalische Grenzen. Sie spielen auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz
    Thomas Wagner
    Ratz und Rübe: So hießen in den 1970er Jahren zwei Puppenfiguren der Kindersendung »Rappelkiste« im Fernsehen der BRD. Den eigenen Standpunkt erkennen, Regeln hinterfragen, sich mit Autoritäten anlegen und solidarisch werden, waren Lernziele, die im Nachgang der 1968er-Revolte offensichtlich auch im Nachmittagsprogramm des ZDF geduldet wurden. Die Rebellion gegen himmelschreiende Mißstände hat sich heute auch ein Namensvetter der legendären Fernsehgestalten zur Aufgabe gemacht. Heinz Ratz heißt er und bringt als Lyriker, Buchautor und mit seiner Band Strom & Wasser die Verhältnisse zum Tanzen, daß es Ratz und Rübe eine Freude gewesen wäre.

    Die Stärke der Band liegt, wie ihr 2010 erschienenes Album »Mondpunk« zeigt, im lustvoll-intelligenten Überschreiten vermeintlicher musikalischer Grenzen: Jazzpiano, sägende Rockgitarren, Latinorhythmen, Reggae- und Klassikeinsprengsel und das eine oder andere exotische Instrument finden zusammen. Das ist voller Poesie wie die besten Momente eines Konstantin Wecker, textlich manchmal zu plakativ und auch stimmlich nicht ganz so überzeugend, aber dafür einen Tacken tanzbarer.

    Viel Aufsehen erregte Ratz mit einer Reihe von zum Teil ungewöhnlichen politischen und sozialen Aktionen, die sich nicht auf Konzerte für die Antifa beschränkten. Im Januar 2008 unternahm er einen 1000 Kilometer langen »Lauf gegen die Kälte«, der ihn zu Fuß von Dortmund nach München führte. Den Reinerlös von 30 Konzerten, die er während dieser Zeit gab, stellte er verschiedenen Obdachlosenorganisationen zur Verfügung.

    In den vergangenen Jahren stellten Strom & Wasser ihr eigenes Bandprojekt zurück und arbeiteten mit hervorragenden Musikern und Sängern aus aller Welt zusammen, die sie bei ihren Besuchen von 80 Flüchtlingslagern kennengelernt haben. Es gab zwei gemeinsame CD-Aufnahmen und eine erfolgreiche Tournee, worauf zunächst Presse, Funk und Fernsehen, dann auch Booking-Agenturen und große Plattenfirmen auf das Projekt aufmerksam wurden. Doch nach mehreren hundert Konzerten, die sie unter anfangs widrigen Umständen mit den Refugees bestritten, beschlossen sie aufzuhören, als es am schönsten war.

    Ihr Hauptziel, die erbärmliche Situation der durch Reise- und Arbeitsverbote und andere Repressalien drangsalierten Flüchtlinge mit ihren Mitteln als Musiker ins Licht der Öffentlichkeit zu bringen, haben sie erreicht. Bei jedem weiteren Schritt wüchse die Gefahr, daß die Band die Kontrolle über ihre eigene Arbeit verlöre. Nach zwei Jahren ohne eigene Tournee und eigene CD-Veröffentlichung war es an der Zeit, daß die Band einen gemeinsamen Neuanfang versucht. Mondpunks, laßt es krachen!



    Strom & Wasser spielen live auf dem Konzert der Rosa-Luxemburg-Konferenz, 11.1., 20 Uhr in der Urania, Berlin
  • 21.09.2021 12:56 Uhr

    Wo ist Rosa?

    Countdown zur Rosa-Luxemburg-Konferenz (6)
    Dr. Seltsam
    Bei den Sozis ist Rosa Luxemburg nie Thema, bei den Kommunisten auch nicht immer – bei der jungen Welt aber seit 1996, als sie die erste Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin organisierte.Und bei Dr. Seltsam, der in Berlin Touren zu ihren Wirkungsorten macht. (jW)



    Endlich erleben wir Rosa etwas beschwingt: Von 1906 bis 1909 ist sie in Liebe mit Kostja Zetkin gefallen. Mutter Clara ist sauer, Ex-Lover Jogiches ist sauer, aber Rosa steht zu ihrem Jungen. Dann verliert der die Lust an dieser anstrengenden Freundin. Rosa gibt ihn frei. Es sind ziemlich emanzipierte Briefe, die es da von ihr zu lesen gibt. Kein Jammern, kein Nachtreten, kein erpresserisches Trauern, statt dessen plant sie gemeinsam mit der Freundin Luise Kautsky die ersehnte große Reise nach dem Süden, April bis September 1909: Stuttgart, Zürich, Genua, Gardasee, Sestri Levante, St. Gallen. Sie trägt sich ein als Dr. Rosalia Lübeck.

    Und wieder ein Umzug. In Berlin-Friedenau ist es mittlerweile nicht mehr ländlich genug. Der Weg geht so: Cranachstraße, Thorwaldsenstraße, Grazer Damm, Steglitzer Damm, fünfte rechts: Biberacher Weg 2. Es soll ihre letzte Wochung werden (1911–1919). Damals hieß das hier in Steglitz Lindenstraße 2. Das alte Haus ist weg, in einem häßlichen Neubau residiert eine Investmentfirma. Nur Nachbarn aus Nr. 3 erinnern sich noch, daß eine alte Bewohnerin mal von der Roten Rosa erzählt habe. Keine Gedenktafel.

    Hier entsteht 1913 »Die Akkumulation des Kapitals«, erschienen im hochoffiziellen SPD-Parteiverlag. Ein Versuch, »Das Kapital« von Marx weiterzuschreiben. These: Die rechtzeitige Übernahme der kapitalistischen Wirtschaft in die Hände der Arbeiter (»geplante Genossenschaftsökonomie«) würde Krisen und Kriege verhindern. Die imperialistische Wirtschaft wird wachsen, bis sie die ganze Erde erfaßt und dann möglicherweise von selbst zusammenbricht, falls die Arbeiter ihr nicht rechtzeitig den Garaus machen.Wie es früher allenthalben »Kapital«-Lesekreise gab, so weiß ich heute von »Akkumulation«-Lesekreisen, aus denen mir gesagt wurde, daß das direkt anschließende Werk, die »Antikritik« noch viel besseren Stoff zur Einsicht in die Ökonomie böte. Als leicht verständliche Einführung empfehle ich das Suhrkamp-Buch über Rosa von Dietmar Dath.
  • 21.09.2021 12:58 Uhr

    Sag mir, wo du stehst

    Leser von junge Welt und Melodie&Rhythmus wählen die wichtigsten Revolutionslieder. Auftakt zur Rosa-Luxemburg-Konferenz
    Die Tageszeitung junge Welt erscheint im Verlag 8.Mai GmbH, die mehrheitlich der Genossenschaft LPG junge Welt eG gehört. Dort erscheint auch mit Melodie&Rhythmus die älteste Musikzeitschrift im deutschsprachigen Raum. Einst eine der beliebtesten Zeitschriften der DDR, wird sich das zwischenzeitlich sehr brave Blatt mit der Mai-Ausgabe (Heft 3/2014) eine radikale Wandlung verordnen, ohne sich neu zu erfinden. Das Heft mit dem Schwerpunkt »Classwar« ist ab Ende April 2014 im Zeitschriftenhandel oder im Abo erhältlich. In dieser Ausgabe werden die zehn wichtigsten Revolutionslieder vorgestellt, ausgewählt von den Leserinnen und Lesern der Zeitschrift Melodie&Rhythmus und der Tageszeitung junge Welt. Zur Zeit wird von beiden Redaktionen eine Vorauswahl mit 50 Titeln erstellt, aus denen dann die Leser bis zu drei Favoriten aussuchen können. Die Aktion wird auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz am kommenden Samstag von Susann Witt-Stahl vorgestellt, die ab der Mai-Ausgabe das Magazin als Chefredakteurin leiten wird. Während der Konferenz können auch die ersten Stimmzettel ausgefüllt werden. Ältere werden mit der Aktion an revolutionäres Liedgut erinnert, Jüngere sollen viel neue und spannende Anregung erhalten. Ein Stimmzettel wird später auch in der jungen Welt zu finden sein.

    Redaktion junge Welt und Melodie&Rhythmus
  • 21.09.2021 12:55 Uhr

    Wo ist Rosa?

    Countdown zur Rosa-Luxemburg-Konferenz (5)
    Dr. Seltsam
    Bei den Sozis ist Rosa Luxemburg nie Thema, bei den Kommunisten auch nicht immer – bei der jungen Welt aber seit 1996, als sie die erste Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin organisierte.Und bei Dr. Seltsam, der in Berlin Touren zu ihren Wirkungsorten macht. (jW)



    Mitte Mai 1907 fährt Rosa Luxemburg zum V. Parteitag der (russischen) SDAPR in London. Sie ist Delegierte sowohl der SPD als auch der polnischen SDKPiL und unterstützt in allen Fragen die Bolschewiki. Kurz nach ihrer Rückkehr tritt sie am 12. Juni in Berlin eine Haftstrafe an. »Zwei Monate im Abtritt wohnen«, schreibt sie über die Zeit im Gefängnis Barnimstraße, in das sie 1915 für einen längeren Zeitraum zurückkehren wird (nur einer von neun Knästen, in die sei wegen Majestätsbeleidigung, Aufruf zum Klassenhaß oder Hoch- und Landesverrat gesteckt wurde).

    Nichtsdestotrotz fühlt sich Rosa in dieser Zeit endlich eingermaßen gesettelt: Der SPD-Vorstand hat sie als Redakteurin des Vorwärts eingestellt. Durch ihre Anstellung in der Parteischule hat sie erstmals regelmäßige Einkünfte, kann sich ihre Wohnung in der Cranachstraße 58 gut einrichten, kann planen, Urlaub machen.

    Auf dem Internationalen Sozialistenkongreß im August 1907 in Stuttgart unterstützt sie mit Lenin folgende Resolution: »Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind in den beteiligten Ländern die Arbeiter und ihre parlamentarischen Vertreter verpflichtet, alles aufzubieten, um den Ausbruch des Krieges durch Anwendung entsprechender Mittel zu verhindern, die sich je nach der Verschärfung des Klassenkampfes und der allgemeinen politischen Situation naturgemäß ändern und steigern. Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, sind sie verpflichtet, für dessen rasche Beendigung einzutreten, und mit allen Kräften dahin zu streben, um die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur politischen Aufrüttelung der Volksschichten und zur Beschleunigung des Sturzes der kapitalistischen Klassenherrschaft auszunutzen.« Also: Falls die Imperialisten Krieg anfangen, sollen die Arbeiter mit Revolution antworten.

    Am 1. Oktober 1907 wird Rosa anstelle des »Schönen Rudolf« Hilferding Dozentin für Nationalökonomie an der SPD-Parteischule im neuen Vorwärts-Gebäude in Kreuzberg, Lindenstr. 3, 2. Hof, 4 Treppen. Sie erhält 3000 Mark pro Semester. Heute sind Schule, Straße und SPD-Haus komplett vom neuen Mehringplatz überbaut. Kein Denkmal, kein Hinweis. Eine Anfrage bei der Gedenktafel-Kommission Kreuzberg bleibt unbeantwortet. Legt man die alten Straßenpläne über die heutigen, war die Parteischule ungefähr dort, wo die Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak ihr »Bürgerbüro« betreibt. Ob die genug Wumm für ein Gedenken an die unbeugsame Kommunistin Rosa hat?

    Am 4. Januar 1908 sind Lenin und Krupskaja in der Cranachstr. 58 zu Besuch. »Heute war wieder einer aus Rußland hier und hat mir das Herz ganz wund gemacht«, schreibt sie in einem Brief. Lenin bringt ihr den linken Kalender 1908 mit seinem Bericht vom eingangs erwähnten Sozialistenkongreß, in dem er Rosa sehr lobt. Er hält sie zeitlebens für die bedeutendste Verbündete der Bolschewiki in Deutschland. Der Kampf gegen den drohenden Weltkrieg wurde immer wichtiger, und Lenin forderte die rechtzeitige Loslösung der Linken von der opportunistischen SPD. Luxemburgs Kritik an Lenin wurde später von SPD-Seite überschätzt. Rosa war durchaus für die Diktatur des Proletariats. Ihre berühmtesten Worte waren auf unsere kapitalistische »Pressefreiheit« gemünzt: »Das öffentliche Leben der Staaten mit beschränkter Freiheit ist eben deshalb so dürftig, so armselig, so schematisch, so unfruchtbar, weil es sich durch Ausschließung der Demokratie die lebendigen Quellen allen Reichtums und Fortschritts absperrt. (…) Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.«

    In seinem Nachruf auf Rosa bemerkte Lenin: »Ein Adler kann wohl manchmal tiefer hinabsteigen als ein Huhn, aber nie kann ein Huhn in solche Höhen steigen wie ein Adler. Rosa Luxemburg irrte in der Frage der Unabhängigkeit Polens; sie irrte in der Beurteilung des Menschewismus (…), sie irrte in ihren Gefängnisschriften (wobei sie selbst ihre Fehler 1918 korrigierte). Aber trotz aller dieser Fehler war sie und bleibt sie ein Adler. (…) ›Die deutsche Sozialdemokratie ist nach dem 4. August 1914 ein stinkender Leichnam‹ – mit diesem Ausspruch wird ihr Name in die Geschichte der Arbeiterbewegung der ganzen Welt eingehen.«
  • 21.09.2021 12:55 Uhr

    Wo ist Rosa?

    Countdown zur Rosa-Luxemburg-Konferenz (3)
    Dr. Seltsam
    Bei den Sozis ist Rosa Luxemburg nie Thema, bei den Kommunisten auch nicht immer – bei der jungen Welt aber seit 1996, als sie die erste Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin organisierte.Und bei Dr. Seltsam, der in Berlin Touren zu ihren Wirkungsorten macht. (jW)
    Wenn man bedenkt, wie spießig um 1900 selbst fortschrittliche Menschen das Geschlechterverhältnis ansehen, können wir Rosa nur bewundern, wie sie mittels Beziehungs-Networking alles managt. Mit geradlinigem Ehrgeiz verfolgt sie ihre Ziele. Gustav Lübeck sorgt für den Paß, Leo Jogiches zahlt die Miete, Kostja Zetkin teilt ihr Bett, Hans Dieffenbach vererbt ihr sein Vermögen, und Anwalt Levi wird ihr letzter Tröster. Aber die Männer sind für solch ein modernes Leben nicht bereit. Jogiches bedroht sie eifersüchtig mit Revolvern, Kostja findet sie zu anstrengend, Hans wird Soldat, und Levi veröffentlicht später ihre geheimen Gedanken über Rußland und begründet damit den »Luxemburgismus«.

    Aber jetzt ist Rosa 27, frisch gebackene Doktorin und zieht im Mai 1898 nach Berlin. Ihre erste Adresse ist die Cuxhavener Straße 2, Gartenhaus links für 120 Mark. Sie entschuldigt sich per Brief bei Jogiches, der bezahlt, für die hohe Miete. Die Adresse gibt es heute nicht mehr. Der Ort heißt heute Klopstockstraße 23. Hier gibt es eine Gedenktafel vom Bezirk für Lovis Corinth, der zur selben Zeit dort lebte, aber nicht für Rosa. Aus dem äußerlich prächtigen Wohnblock schreibt sie entsetzt nach Zürich: »Und erst die Reinlichkeit! Ich weiß nicht, woher das Märchen von den reinlichen deutschen Hausfrauen stammt; ich habe hier noch keine einzige gesehen!«

    Überraschend fix schafft sie es in den inneren Führungszirkel der SPD. Sie marschiert einfach in die Katzbachstraße 9 in Kreuzberg: Die erste legale SPD-Zentrale, brave Gedenktafel an der Hauswand: Hier schufen Bebel, Liebknecht , Singer die moderne SPD… Rosa wird von Singer sofort als Wahlkampfhelferin für Schlesien eingesetzt und Parteireferentin. Sie befreundet sich mit ­Kautsky, Mehring, Zetkin, Bebel und den anderen Größen, Auf »Familien«-Feiern wird gestritten und geflapst. »Rosa, nach der Revolution wird man dich erschießen müssen«, orakelt Papa Bebel, Rosas Antwort: »Oder dich!«

    1898 wird sie bereits Chefredakteurin der Sächsischen Arbeiterzeitung, alles im ersten Jahr nach ihrer Ankunft in Berlin! Und sie nutzt ihre Position gleich zur Polemik gegen die Reformisten. Ihre Artikel sind die allerersten gegen Bernstein, und so hilft sie, auf dem SPD-Parteitag vom 3. bis 5. Oktober 1898 in Stuttgart den ideologischen Sieg über den Revisionismus zu erringen. Bebel will die Revolution in der Arbeiterbewegung am Leben erhalten, aber er will auch die Einheit der Partei. Rosa dagegen fordert klar den Ausschluß Bernsteins, ehemals Sekretär von Engels! (In »Sozialreform oder Revolution« 1898/99) Mit 27 Jahren! Wie müssen sich die in mühsamer Ochsentour ergrauten Alten vorkommen, als sie von der jugendlichen begabten Polin runtergeputzt werden?! Ich empfinde Rosa als ganz modernen jungen Menschen: Studieren, die Welt sehen, Doktor machen, mit Chuzpe eine Stelle finden, angestrengt arbeiten. Nur ist sie im Unterschied zu unseren heutigen Yuppies eben antikapitalistisch, kritisch und revolutionär. Für die heutigen Karrieristen in der Linken gilt Ulrike Meinhofs Verdikt: »Wer in der Bewegung nur seine persönliche Lage verbessern will, wird sie über kurz oder lang auch durch Verrat verbessern«. Ignaz Auer, Bayrischer Revisionist, über Rosa Luxemburg: »Diese gescheite Giftnudel wird auch nach Hannover kommen. Ich habe Respekt vor ihr. Sie aber haßt mich aus tiefstem Herzensgrund.«
  • 21.09.2021 12:55 Uhr

    Wo ist Rosa?

    Countdown zur Rosa-Luxemburg-Konferenz (2)
    Dr. Seltsam
    Bei den Sozis ist Rosa Luxemburg nie Thema, bei den Kommunisten auch nicht immer – bei der jungen Welt aber seit 1996, als sie die erste Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin organisierte. Und bei Dr. Seltsam, der in Berlin Touren zu ihren Wirkungsstätten veranstaltet. (jW)

    Zur Biographie. Als Rosa drei wird, zieht sie mit ihrer Familie in die Großstadt Warschau um, mit fünf wird sie krank, mit neun erfolgt ihre Aufnahme ins Zweite Mädchengymnasium, mit sechzehn tritt sie vermutlich als einzige Schülerin dem illegalen kommunistischen Zirkel »Proletariat« bei, wo man sie mit marxistischer Theorie versorgt.

    In der Schule hat sie beste Noten »in einer Umgebung, die eigentlich den Töchtern der russischen Besatzungsbeamten vorbehalten war«. Sie sagt später von sich, sie sei eigentlich faul, aber ihr »gutes Gedächtnis« habe ihr stets gute Zensuren beschert. Rosa lernt perfekt vier Sprachen: polnisch, deutsch, französisch, russisch. Beim Internationalen Sozialisten-Kongreß wird sie offizielle Dolmetscherin für den französischen Sozialisten Jean Jaurès. Doch ihre eigentliche Begabung sind Statistik und Ökonomie.

    1889 macht sie Abitur, unter ungeheurem Druck, denn die zaristische Geheimpolizei Ochrana ist ihr auf der Spur. Von Warschau flieht sie in die Schweiz, in einer Ladung Heu versteckt. Zürich ist die erste Uni Europas, an der Frauen studieren dürfen. Hier jobbt sie bei der Familie von Carl Lübeck, deutsche Sozialdemokraten im Exil, denen sie den Haushalt führt. Neben dem Studium beteiligt sie sich an der Gründung der SDKP, der »Sozialdemokratie des Königreichs Polen«, ein Land, das es zu der Zeit gar nicht gibt. Sie schreibt in Polens erster linker Zeitung Arbeitersache, die im Untergrund erscheint.

    1897 ist Rosa 26 und erwirbt die staatswissenschaftliche Doktorwürde mit der Dissertation »Die industrielle Entwicklung Polens« (Leipzig 1898, in den Werken Band 1). Unterdessen stirbt ihre Mutter an Krebs.

    Rosas politisches Ziel bleibt eine revolutionäre SPD. Um nach Deutschland zu kommen, geht sie mit Gustav, dem dritten Sohn der Lübecks, eine Scheinehe ein. Diese verhilft ihr zur preußischen Staatsbürgerschaft. Gustav war ein netter, wohl schwuler Kerl. Später schickt Rosa ihm manchmal etwas Geld. Um nach vier Jahren Ehe die Scheidung zu erlangen, wird eine Prostituierte bestochen, damit ein »Ehebruch« vorgetäuscht werden kann. Auf Reisen in Italien trägt sie sich als Dr. Rosalia Lübeck ein. Gustav Lübeck war ein Freund von Erich Mühsam und Anarchist. Er überlebte zwei Weltkriege, und die Nazizeit und verhungerte dann Ende 1945 in einem zerbombten Wohnhaus in der Zietenstraße 10, heute Werbellinstraße, im proletarischen Rollbergviertel in Berlin-Neukölln. Am 4.4.1903 wird das Scheidungsurteil gültig, Rosa ist frei.
  • 21.09.2021 12:55 Uhr

    Wo ist Rosa?

    Countdown zur Rosa-Luxemburg-Konferenz (1)
    Dr. Seltsam
    Bei den Sozis ist Rosa Luxemburg nie Thema, bei den Kommunisten auch nicht immer – bei der jungen Welt aber seit 1996, als sie die erste Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin organisierte.Und bei Dr. Seltsam, der in Berlin Touren zu ihren Wirkungsorten macht. In dieser Zeitung führt er uns zur 19. Rosa-Luxemburg-Konferenz, die am 11. Januar 2014 in der Berliner Urania stattfindet. (jW)
    Anfang des Jahres 2013 bezahlte mir der Euopäische Sozialfonds eine Umschulung zum Stadtführer/Reiseleiter, aber in Berlin gibt’s ja alles schon. Durch die wunderbaren Bücher von Heinz Knobloch (»Liebste Mathilde«) und Klaus Gietinger (»Der Konterrevolutionär«) begann ich, die Lebensorte Rosa Luxemburgs wieder und wieder aufzusuchen und zu vergleichen, was in den verschiedenen Büchern über die Abschnitte ihres Lebens geschrieben wurde und stellte bald fest, daß das Bild von Rosa als einer gestrengen Revolutionärin nicht immer stimmt und daß an ihren Lebensorten ihre Theorien gut zu erklären sind. Diese Rosa-Touren führe ich nun seit Oktober, jeden Donnerstag durch – nach Voranmeldung (01577/3862029).

    Herkunft: Geboren wurde sie am 5. März 1871 in Zamosc in Russisch-Polen. Polen als Staat existierte damals gar nicht, war zum dritten Mal geteilt zwischen den Großmächten Deutschland, k. u. k. Österreich und Rußland. Das erklärt einiges in ihrem Leben, etwa die persönliche Teilnahme der längst Deutsche gewordenen Rosa an der Russischen Revolution von 1905 und einen der wenigen Streitpunkte mit Lenin, der das Nationalgefühl der entrechteten Minderheiten für die Revolution nutzen wollte. Rosa war sehr gegen den Artikel des Programms der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands (SDAPR), der das Recht der kleinen Nationen auf Loslösung von Rußland betraf, weil das nur die überlebte polnische Adelskaste begünstigt hätte. Rosas Vater war Holzgroßhändler mit großem Haus am Marktplatz.

    Ein Tourgast erzählte mir, daß man früher in Zamosc das falsche Geburtshaus gezeigt habe, jetzt könne das richtige besichtigt werden. Ich selbst war noch nicht da, es gibt keine linken Reisen in diese interessante Gegend. Aber Zamosc wirbt auch nicht damit.

    Der Vater hatte geschäftliche Verbindungen bis nach Westeuropa, fuhr auch gelegentlich nach Berlin und war für die neugierige Tochter Quell aller aufregenden Erzählungen über die illegale deutsche Sozialdemokratie, damals die größte linke Bewegung der Welt. Sie war wohl früh entschlossen, sich darin nützlich zu machen. Das Revolutionäre in Rosas Wesen kam also nicht daher, daß sie selber arm und unterdrückt war. Sie war soziale Aufsteigerin nur in dem Sinne, daß sie als polnische Schülerin die russischen Beamtentöchter am Warschauer Gymnasium durch beste Noten deklassierte. Ihre lebenslange Empörung über unverdiente Privilegien bei frech ausgestellter Dummheit dürfte aus dieser Zeit stammen. Und sie hatte ein Handicap: Mit fünf Jahren befiel sie eine merkwürdige Krankheit, wahrscheinlich eine schmerzhafte Knochenentzündung, und die Ärzte wußten ihr nicht anders zu helfen, als ihre Hüfte ein Jahr lang einzugipsen. Seitdem hatte sie ein kürzeres Bein und »humpelte« ein wenig.

    »Wer sie in diesen Tagen sah, wie sie hüftenwiegend durch die sonnigen Straßen ging, mit einem Gesicht, das in der Entspannung aufblühte, mit einer Stimme und einem Lachen voll Charme und Übermut, – wer sie so sah, behielt für immer die Erinnerung an ihren außergewöhnlichen Liebreiz.« So später Henriette Roland-Holst, die bekannte sozialistische Millionärin aus Holland.

    Zum Glück konnte sie während ihrer Liegezeit schon lesen und verschlang alles, was ihr in die Hände kam, das schulte ihr Gedächtnis. Und sie wollte dem Dienstpersonal das ABC beibringen, das schulte ihre pädagogische Intelligenz. Ihr eigentlicher polnischer Name war Rosza oder Rozalia Luksenburg. Sie entstammte einer alten rabbinischen Familie, (»jüdischer Adel«).

    Da haben wir nun alles beisammen, was das revolutionäre Feuer in ihr schürte: intellektuelle Überlegenheit gegenüber der spießigen Schulumgebung, immer wache Abwehr wegen Behinderung und Judenspott. Natürlich lernte sie in diesem Treibhaus Selbstbewußtsein, selbständiges Denken und Sichwehren.
  • 21.09.2021 12:49 Uhr

    »Oh, Willy Brandt, du Affe«

    In der Tradition von Zeca Afonso werden Luís Galrito und António Hilário auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz ein Konzert geben
    Alexander Reich
    Grândola, Vila Morena« von José »Zeca« Afonso ist Portugals inoffizielle Nationalhymne und war ein Grund dafür, daß Luís Galrito mit 15 Jahren im Süden des Landes zu komponieren anfing. Heute ist Galrito Musiklehrer und Liedermacher. Er hat das Lied, das als Signal der Nelkenrevolution auch in Geschichtsbücher einging, also von allen Ecken und Enden her studiert. Es beginnt mit der Aufstellung der Männerchöre aus der kleinen Stadt Grândola. Man hört ausschließlich die Schritte der Sänger, die Arm in Arm auf dem Kiesboden des Alentejo wanken. Landarbeiter, viele seit Generationen Tagelöhner. Als dieser monotone Takt am 25.4.1974 um null Uhr 20 im Radio gesendet wurde, wußten die Offiziere des Movimento das Forças Armadas (MFA): Die Panzer waren aus den Kasernen gerollt.

    Kommunistische Mehrheiten sind an diesem Rand Europas bis heute nichts Extraordinäres. Bei den landesweiten Kommunalwahlen am 29. September 2013 gewannen die Kommunisten (PCP) den Bürgermeistersitz in Grândola zurück. Drei Wochen zuvor war Luís Galrito mit dem Handperkussionisten António Hilário bei der »Festa do Avante« aufgetreten. Die beiden gehören auf dieser jährlichen Massenveranstaltung der PCP-Wochenzeitung zum Inventar. Es gibt einen Youtube-Clip von 2011, »Hasta siempre Comandante«, Galrito singt die Strophen, das Publikum den Refrain, wobei es von Hilário mit dem linken Zeigefinger dirigiert wird. Mit der rechten Hand trommelt der Mann aus Faro weiter.

    Zeca Afonso kam 1961 für drei Jahre nach Faro. Er hatte eine Tourneereise durch Angola hinter sich, das er – wie Mosambik – aus der Kindheit kannte. In beiden Kolonien begannen Unabhängigkeitskriege, was Afonso politisch radikalisierte, und später die Offiziere des MFA. Afonso beendete in Faro sein Langzeitstudium mit einer Arbeit über Sartre und fand solidarischen Zusammenhalt und zum Protestlied (»canção de intervenção«) – 1964 komponierte er die erste Fassung des polyphonen Gesangs von »Grândola, Vila Morena«, der jede Instrumentalbegleitung überflüssig macht. Im weiteren Verlauf der 60er wurde Afonso erst Lehrer in Mosambik und schließlich mit Berufsverbot belegt.

    Luís Galrito und António Hilário, die am 11. Januar in Berlin bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz dieser Zeitung auftreten werden, haben viele Afonso-Lieder im Repertoire; sicherlich kennt in Portugal jedes Kind mehr als zwei. Das über die Ameise oder den Maulwurf (»Eu vou ser como a toupeira/Que esburaca«) oder das über die alte Frau, die nachts Kräuter verkaufen muß, um nicht zu verhungern (»A mulher de erva«, 1971). »Lá no Xepangara« (1974) schildert den Alltag in einer Satellitenstadt Maputos aus Sicht weißer Kolonialherren.

    Afonso hat auch über Politiker gesungen. »Os fantoches de Kissinger« (1976) wäre da zu nennen, und natürlich das volkstümlich instrumentierte Kampflied »Viva o poder popular« aus dem wahrscheinlich besten Jahr Portugals, 1975. Damalige Bemühungen der europäischen Sozialdemokratie, das revolutionäre Land zu »demokratisieren«, werden mit der Würdigung zweier Jahrhundertgiganten der Sozis als Affen berücksichtigt: »O Willy Brandt macaco, / O Giscard (d’Estaing) macaco«.

    Man kann davon ausgehen, daß Luís Galrito und António Hilário für das Konzert in Berlin eine der Situation angemessen kämpferische Setlist bereithalten. Die Tradition, in der ihre Musik steht, beginnt spätestens mit den »Cantigas de escárnio e maldizer« (Hohn- und Spottlieder) im Spätmittelalter, konnte hier also wirklich nur angerissen werden.
  • 21.09.2021 12:48 Uhr

    »›Wir bräuchten‹ statt ›ich will‹«

    Politik, Musik, Herz und Hirn gehören ­zusammen. Ein Gespräch mit Erich Schmeckenbecher
    Christof Meueler
    unbenannt
    Erich Schmeckenbecher, Jahrgang 1953, ist ein Liedermacher, Komponist und Produzent, der mit dem Duo Zupfgeigenhansel (zusammen mit Thomas Friz) in den 1970er Jahren berühmt wurde. Bis zur Auflösung 1986 verkauften Zupfgeigenhansel eine Million Schallplatten. Anschließend spielte Schmeckenbecher in der Band Erich und das Polk. Seit 2000 ist er allein unterwegs. Sein aktuelles Album heißt »Der Vogel Sehnsucht« (2012). Am 11.1.2014 spielt er auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz

    Letzten Freitag wurde Heino, der bekannteste deutsche Volksmusiksänger, 75. Hat er das Image der deutschen Volksmusik ruiniert?

    Na ja! Er ist ein wandelndes Geschäftsmodell. Ein naturidentisch, romantisch getünchter Pragmatiker, von der Industrie geschaffen. Als wir mit Zupfgeigenhansel einmal bei einer großen Fernsehshow von Alfred Biolek auftraten, fragte er mich: »Was unterscheidet euch von Heino?« »Wir singen live«, war meine Antwort. Nach der Sendung sagte uns der Aufnahmeleiter: »Wenn ihr nicht so politisch wärt, könntet ihr zu den ganz großen Acts gehören.« Für mich gehören Politik und Musik schon immer untrennbar zusammen, wie Herz und Hirn. Heute ist Musik für’n Arsch wesentlich erfolgreicher.

    »Immer lustig und vergnügt, bis der Arsch im Sarge liegt«, hat Udo Lindenberg schon vor 30 Jahren gesungen.

    Besonders bei den Quotenjunkies und Kampfschunklern in den Samstagabendshows der Glotze, aber auch im Dudeldadio, wird so getan, als ob das Volk und deren Lieder immer lustig gewesen wären. Dabei drückt sich gerade im klassischen Volkslied hauptsächlich das Leid des Volkes aus. Volkslied gleich Volksleid, also das Vertauschen von »i« und »e« kommt der Sache sehr nahe. Hungersnöte, Krieg, Vertreibung, Liebesleid, Ungerechtigkeit, Unterdrückung etc. brannten in den Seelen der Menschen und milderten sich durchs Besingen. Volkslieder sind so etwas wie der Blues in den USA.

    Als Sie damit zu Beginn der 70er Jahre anfingen, war das linke Publikum geschockt?

    Ich erinnere mich, als wir Anfang der 70er bei Studentenfesten aufgetreten sind und auch »Wenn alle Brünnlein fließen« gespielt haben, hat man uns den Vogel gezeigt, weil man dachte, wir wären Neonazis oder sowas. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis man kapiert hat, daß auch dieses Lied damit nichts zu tun hat. Die Nazis hatten es schlicht für ihre krude Ideologie instrumentalisiert, so wie sie überhaupt alles ganz pragmatisch vereinnahmt und für sich passend zurechtgestutzt haben. Bis heute vertauschen sie immer noch trickreich Täter und Opfer und natürlich wird immer nur zurückgeschossen. Das ist Müll.

    Der hat uns nicht interessiert. Die Wurzeln unserer Lieder, also uns selbst zu finden, war viel spannender. Und wir merkten sehr schnell, daß die alten Lieder mit unserem Alltag immer noch vieles gemein hatten. So wird man dann über Wissen zum Störenfried und Aufklärer. Fast 40 Jahre singe ich z.B. immer noch das Lied »Im Krug zum grünen Kranze«, allerdings nicht in der bekannten Kampfschunkelfassung. »Und mit dem Sinn der Bürger, wie sieht es bei euch aus…?« heißt es in einer Zeile. Da geht es um Solidarität, Recht und Freiheit. In Zeiten pathologischer Bespitzelung durch die Schlapphüte dieser Welt, der NSA im besonderen, hat dieses Lied seit den Sozialistengesetzen unter Bismarck, als es entstand, an Aktualität nichts verloren.

    Diese Lieder haben Sie in Bibliotheken ausgebuddelt?

    So kann man sagen. »Ich bin Soldat, doch ich bin es nicht gerne«, »Das Lied vom Pfaffenarsch« und »Es wollte ein Bauer früh aufstehen…« waren vor unserer Graberei völlig unbekannt und es zeigte sich, daß das Bild, welches uns Schule und Gesellschaft aus pragmatischen Gründen vom Volkslied malten, ein verbogenes war. Wir entfernten den Staub der Jahrhunderte und sorgten damit für eine Art Rehabilitierung. Damit hat ja keiner gerechnet und manche hat das auch massiv gestört. Nicht nur die Leibwächter der Volkstümlichkeitsindustrie, musikalisch auch die Wächter des Protests an anderer Stelle.

    Warum?

    Weil das kritische Lied immer sperrig sein soll. Es darf nicht schön sein, darf keine Emotionen haben. Wohl gedacht als Abgrenzung zum ewig Schönen und Reichen der Unterhaltungsindustrie. Wie albern…

    Schon als Zupfgeigenhansel versuchte ich, die Dinge zu vereinfachen, und so zu sehen, wie sie sind. Es ist ein romantischer Ansatz. Denn spannend ist doch, was hinter dem Vorhang vor sich geht, das Dahinter-Schauen. Nichts anderes ist unter Romantik zu verstehen, die heute immer noch als rein ästhetische und nicht als historische Kategorie gehandelt wird.

    Ich habe mein letztes Album »Der Vogel Sehnsucht« diesem Thema gewidmet. Romantik ist schlicht die Sehnsucht nach einer besseren Welt, mit der Wahrheit und der Vernunft als Basis. Die verändert sich natürlich immer, denn, was wir heute wissen, ist morgen schon kalter Kaffee. Romantik ist heute treudoofe Idylle. Der röhrende Hirsch am Waldesrand, das Romantikhotel. Dieser ganze verballhornte Werbescheiß ist nichts anderes als die pragmatisierte Form davon und dient ausschließlich als Geschäftsmodell zur Gewinnmaximierung. Weit weg von den Wünschen der Menschen, wo die Romantik herkommt. Dafür aber ganz nah an der Profitgier weniger Leute.

    War Rosa Luxemburg eine Romantikerin?

    Absolut.

    Was würde sie heute für Musik hören?

    Heino bestimmt nicht.

    Sind die Linken aufgeklärte Romantiker?

    Das sollten sie eigentlich sein, denn früher waren sie es immer. Heute ist die Frage: Wie stark ist das Dogma, also der pragmatische Part einer Ideologie, und vor allem, wer hat den Nutzen, den Vorteil? Romantiker brauchen keine Ideologie, sie brauchen Wahrheit, Erkenntnis und Vernunft. Pragmatiker brauchen Ideologie, um die Realität entsprechend einzunebeln.

    Ideologie ist falsches Bewußtsein, klassisch ausgedrückt.

    Man könnte auch sagen: Dummheit ist ein Menschenrecht, das heute auffällig viele Leute für sich in Anspruch nehmen. Dies wird durch Ideologie noch perfide gefördert, in dem man zu allem Relativen ein absolutes Verhältnis bastelt, sich so die Realität pragmatisch auf den eigenen Nutzen zurechtstutzt, dann als Wahrheit, Freiheit, oder was weiß ich, an Doof verkauft. Und der geht dann wählen, ganz demokratisch. Das geht mir auf den Zeiger.

    In den 70er Jahren ging das viel mehr Menschen noch auf den Zeiger. Und es wurden viel mehr Platten verkauft, auch von Ihrer Musik.

    Als Helmut Kohl und Leo Kirch in den 80ern, damals die Speerspitzen neoliberaler Ideologie, die Privatisierung des Kulturlebens eingeführt haben, versprachen sie uns eine ungekannte Vielfalt. Was wir bekommen haben, ist die Vervielfältigung der Einfalt.

    Ergebnis: Die Menschen verblöden, verkümmern und verfetten. Das ist politisch gewollt. Denn wer soll denn sonst den ganzen Mist konsumieren?

    Gleichzeitig ist der ökonomische Druck auf den einzelnen gestiegen. Neoliberalismus dividiert die Menschen auseinander. Der alte Scheiß von »Fleiß und Preis«, oder die Mär, daß »Konkurrenz das Geschäft belebt«, geistern mehr denn je als Klabautermänner auf dem Narrenschiff der Ausbeutung. Das Modell des »Ich will« hat die Solidarität, das romantische »Wir bräuchten«, das Gemeinwohl fast völlig zerstört. »Geld dient nicht mehr, es regiert«, und »diese Wirtschaft tötet«, sagt nun schon der Papst.

    Sie treten mittlerweile auch nur allein auf.

    Ja, seit bald 14 Jahren und mit wachsender Freude, obwohl es ziemlich anstrengend ist, zwei bis drei Stunden alleine aufzutreten.

    Und die Genregrenzen haben Sie überwunden?

    Ich halte die Trennung zwischen Rockmusik und Folk oder zwischen U- und E-Musik grundsätzlich für Unsinn. Pragmatisch konstruiertes Juristenzeug, wo es vielmehr um die Verteilung von Geldern geht, mit der Musik als Objekt der Begierde. Es gibt ja bekanntlich keine gute oder schlechte Musik, es gibt nur gute und schlechte Musiker.



    Erich Schmeckenbecher spielt live auf dem Konzert der Rosa-Luxemburg-Konferenz, 11.1., 20 Uhr in der Urania, Berlin
  • 21.09.2021 12:47 Uhr

    »Operative Effizienz«

    Europäischer Rat in Brüssel: Staats- und Regierungschefs der EU diskutieren über gemeinsame Militäreinsätze und Stärkung der Rüstungsindustrie
    Jörg Kronauer
    Verteidigungsministerin von der Leyen, Kanzlerin Merkel, General
    Verteidigungsministerin von der Leyen, Kanzlerin Merkel, Generalinspekteur Wieker und Innenminister de Maizière (v.r.n.l.) mit Angehörigen von Soldaten und Polizisten im Auslandseinsatz
    Im Bundesverteidigungsministerium wird er mit einigem Interesse erwartet: der Europäische Rat, der am heutigen Donnerstag beginnt. Zum ersten Mal seit fünf Jahren befassen sich die Staats- und Regierungschefs der EU schwerpunktmäßig mit Fragen gemeinsamer Militäreinsätze bzw., wie es im Brüsseler Jargon heißt, mit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Um die militärischen Kapazitäten der EU soll es gehen, um die »operative Effizienz« der europäischen Truppen und nicht zuletzt auch um die Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie. »In Zeiten neuer Bedrohungen« sei die GSVP »zu einer Notwendigkeit geworden«, schreibt das deutsche Verteidigungsministerium. Der aktuelle EU-Gipfel biete die Chance »zum dringend benötigten Austausch« darüber, wie man sie schlagkräftiger gestalten könne.

    Hinsichtlich der Entwicklung der GSVP in den letzten Jahren hat sich im deutschen Politestablishment erhebliche Unzufriedenheit angestaut. »Als es 1999 losging« mit der gemeinsamen EU-Militärpolitik, da habe man zunächst »eine relativ intensive Dynamik« erlebt, erinnerte sich Ulrike Guérot, deutsches Mitglied in der »Denkfabrik« European Council on Foreign Relations, im Februar vor dem Auswärtigen Ausschuß des Bundestags. In der Tat: Schon 2003 starteten die ersten Interventionen, »Concordia« in Mazedonien und – ein wichtiger Testlauf – »Artemis« in der Demokratischen Republik Kongo. 2004 übernahm die EU mit »Althea« Bosnien-Herzegowina von der NATO. Ebenfalls 2004 wurde das »Battle Group«-Konzept aus der Taufe gehoben. Zum 1. Januar 2007 verkündete man die volle Einsatzbereitschaft der schlagkräftigen Einheiten. Noch im selben Jahr kam der Vertrag von Lissabon, der »ja auch besonders« darauf abgezielt habe, der EU-Militärpolitik neue »Fortschritte« zu bringen, wie Guérot rückblickend bemerkte; doch »diese Erwartungen« hätten sich »nicht so erfüllt, wie wir uns das vielleicht vorgestellt haben«. Auf einer Tagung der Hanns-Seidel-Stiftung (CSU) zum Thema EU-Militärpolitik war Anfang Dezember gar von einem »Dornröschenschlaf« der GSVP die Rede.

    Dornröschenschlaf? Mehr als 2800 Soldaten sind derzeit im Rahmen von EU-Operationen im Einsatz – vor dem Horn von Afrika bzw. Somalia, in Mali und in Bosnien-Herzegowina. Das ist kein Pappenstiel, und es sind damit auch ziemlich genau 2800 Soldaten mehr im Ausland stationiert, als Kriegsgegner und Kriegsgegnerinnen es sich wünschen würden. Im deutschen Politestablishment dominiert jedoch Enttäuschung: Keine einzige der einst so stolz präsentierten »Battle Groups« ist je eingesetzt worden, und von der ersehnten EU-Armee – einer wichtigen Grundlage weltweiter deutsch-europäischer Machtpolitik – ist man immer noch Lichtjahre entfernt.

    Woran liegt’s? In den letzten Monaten ist in Berlin und Brüssel viel Ursachenforschung betrieben worden. Bis heute gebe es Koordinationsmängel zwischen den jeweiligen nationalen Streitkräften, stellte im November etwa das Institut der EU für Sicherheitsstudien (EUISS) fest. Auch hätten die Kriege in Afghanistan und im Irak zu einer spürbaren Überdehnung geführt. Das entscheidende Hindernis für die Ausweitung der EU-Kriegseinsätze liege jedoch in den divergierenden nationalen Interessen, konstatierte das EUISS. Paris wolle EU-Truppen eben zur Intervention in seinem afrikanischen »Hinterhof« nutzen, Berlin strebe Einsätze in deutschen Einflußzonen an. Die »Battle Groups« etwa seien daher zwar militärisch, nicht aber politisch einsatzbereit.

    Nun hat sich im deutsch-französischen Verhältnis in den letzten Jahren viel verschoben. Die Krise hat die Berliner Dominanz in der EU voll zum Tragen gebracht, während Paris dramatisch schwächelt. Ökonomisch hat die Bundesrepublik Europa ihren Austeritätsstempel aufgedrückt; nun sucht sie Frankreichs Schwäche zu nutzen, um das Land auch außen- und militärpolitisch abzudrängen. Seit Monaten dringen deutsche Politiker, Regierungsapparate und Thinktanks auf eine »Weiterentwicklung« der GSVP, die häufigere Einsätze – selbstverständlich nach deutschen Prioritäten – ermöglichen würde. »Wir wollen, daß die Europäische Union ihrer Verantwortung als Trägerin des Friedensnobelpreises auch künftig gerecht wird«, liest man im aktuellen Koalitionsvertrag. Frieden aber, das weiß man seit Orwell, heißt in der westlichen Zivilisation bekanntlich Krieg.

    Berlin macht Druck. Bundespräsident Joachim Gauck berichtete in seiner Rede zum 3. Oktober, er habe »Stimmen« wahrgenommen, die sich »eine starke Rolle Deutschlands« »in Europa und in der Welt« wünschten. Wenig später plädierten rund 50 teils maßgebliche deutsche Außenpolitiker in einem breit diskutierten Strategiepapier für eine »Neuvermessung« der deutschen Weltpolitik (siehe jW vom 26. Oktober 2013). Daß man dazu die militärischen Mittel der EU benötigt, darüber sind sich die herrschenden Kreise einig. »Die Bundesregierung wird anknüpfend an den EU-Gipfel im Dezember 2013 neue politische Initiativen zur Stärkung und Vertiefung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ergreifen«, heißt es im Koalitionsvertrag. Vom aktuellen Europäischen Rat solle die »klare Botschaft an die europäische Bevölkerung ausgehen: Sicherheit und Verteidigung geht uns alle an«, schreibt das Bundesverteidigungsministerium. Nun – bei dieser Aussage werden ihm wohl auch Kriegsgegner ausnahmsweise einmal zustimmen.

    Jörg Kronauer ist Referent auf der von jW veranstalteten Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11. Januar in der Berliner Urania
  • 21.09.2021 12:46 Uhr

    Unter Menschen sein

    Revolutionäre Volksmusik: Grup Yorum ist ein politisches Projekt, mehr noch als eine Band. Sie spielen im Januar auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin
    Sukriye Akar und Thomas Eipeldauer
    Zu den Liedern von Grup Yorum kann man Halay tanzen, Tee trinken
    Zu den Liedern von Grup Yorum kann man Halay tanzen, Tee trinken oder die AK-47 durchladen – hier im Juni vor dem Oberlandesgericht München, wo der NSU-Prozeß läuft (und Grup Yorum nicht in den Saal durften)
    Anfang Juni war Feierstimmung am Taksim-Platz. Die Cops waren vertrieben, und der zentrale Istanbuler Platz immer noch in der Hand der Kommune. Beim Denkmal der Republik, auf dem die Fahnen Dutzender linker Organisationen wehten, machten ein paar Genossen die improvisierte Anlage an, es lief »Uzatin ellerinizi (»Streck deine Arme aus«), später dann »Gündogdu marsi«. Die Lieder von Grup Yorum sind aus der türkischen Linken nicht wegzudenken. Über die Partei- und Programmgrenzen der ansonsten heillos zerstrittenen Bewegung hinweg sind sie gemeinsames Kulturgut der Sozialisten des Landes. Grup Yorum füllt Stadien, eine halbe Million Menschen kamen zum bislang größten Konzert im April in Istanbul.

    Insofern kann man das, was Grup Yorum produziert, Volksmusik nennen. Man darf es aber nicht mit dem Blut-und-Boden-Schmalz karnevalesk gekleideter Hillbillies verwechseln, das hierzulande unter dieses Genre fällt. Wenn die Gruppe von Bergen singt, sind es die der Guerilleros, nicht die der Almhüttengaudi. »Wenn dir ein Übel geschieht, mein Herz / in die Berge, komm in die Berge / sie verstecken dich und verraten dich nicht, mein Herz« (»Daglara del daglara«, »In die Berge, komm in die Berge«).

    Und wenn die Gruppe von Liebe singt, dann nicht von der peinlichen apolitischen Romanze zwischen Skilehrer und Dorfschönheit, sondern vom Vorgriff auf ein besseres, gelingendes Leben, ganz wie bei Pablo Neruda. »Du bist ein Feuer unter den Sternen/Ich berühre dich/Ich bin unter den Menschen, ich liebe sie/Ich liebe die Bewegung/Ich liebe die Idee/Ich liebe den Kampf/Du bist einer der Menschen in meinem Kampf, Liebling/Ich liebe dich«, heißt es in »Insanlarin ­Içindeyim« (»Ich bin unter Menschen«).

    Die traditionellen Instrumente der anatolischen Volksmusik – Saz, die alevitische Baglama, Flöte und Zurna – kombiniert die Band mit Schlagzeug, Gitarre, manchmal Klavier. Gesungen wird nicht nur auf Türkisch, sondern in Arabisch, Kurdisch und anderen Sprachen der Region. Manchmal sind es Geschichten aus dem Arbeitsalltag, manchmal poetische Allegorien, manchmal die Biographien der bekannten und unbekannten Revolutionäre der Türkei, die den Inhalt der Balladen und Märsche abgeben. Zu den Liedern von Grup Yorum kann man Halay tanzen, Tee trinken oder die AK-47 durchladen, je nach Lust und Laune.

    Schon die Gründung von Grup Yorum war ein Akt des Widerstands. Nach dem Militärcoup vom 12. September 1980 war die türkische Linke in einer Art Schockstarre. Hunderttausende wurden festgenommen, Hunderte hingerichtet oder zu Tode gefoltert. 1984 entschlossen sich linke Studenten, das von der Repression erzwungene Schweigen zu brechen. 1985 erschien das erste Album – und so entstand die Band, die seit drei Jahrzehnten den Soundtrack der radikalen Linken in der Türkei spielt.

    Im vergangenen Monat erschien ihr 22. Album, es trägt den Titel »Halkin elleri« (»Die Hände des Volkes«). Auch dieses Mal ist jeder Song Ergebnis eines kollektiven Arbeitsprozesses. Die Texte werden gemeinsam geschrieben, die Musik zusammen komponiert. Das Ergebnis wird den Hörern vorgelegt, die Anmerkungen machen, Lieder verändern und kritisieren können. Man will keinen Starkult, deshalb treten die Bandmitglieder nicht herausgehoben als einzelne auf, sondern immer als Ganzes. Grup Yorum ist ein politisches Projekt, mehr noch als eine Band. Die Mitglieder verstehen sich als Aktivisten, die Musik als Teil ihres Kampfes.

    Daß der türkische Staat sie auch heute noch für gefährlich hält, dokumentiert die permanente Repression gegen die – je nachdem wie viele gerade einsitzen – etwa zehn Mitglieder der Band. Auf über 400 Anklagen kann Grup Yorum zurückschauen. Zuletzt stürmten im Januar Sondereinsatzeinheiten der türkischen Polizei das Idil Kulturzentrum im Istanbuler Stadtteil Okmeydani. Alle Bandmitglieder wurden verhaftet, gegen zwei Musiker, die nicht im Land waren, ergingen Haftbefehle. Der Vorwurf lautete Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, der militanten Revolutionären Volksbefreiungsfront (DHKP-C).

    Kurz zuvor, im Herbst 2012, waren zwei Musikerinnen, die Solistin Selma Altn und die Violinistin Ezgi Dilan Balc, während einer Protestkundgebung vor dem gerichtsmedizinischen Institut verhaftet worden. Anwalt Taylan Tanay beschreibt, was dann passierte: »Man zwang sie auf dem Boden zu liegen, während sie festgehalten und von mehreren Polizisten getreten wurden. Die Folter ging im Polizeitransporter weiter. Da die Polizisten wußten, daß Altin die Leadsängerin der Band ist, schädigten sie absichtlich ihr Trommelfell, indem sie sie mehrfach gegen die Ohren schlugen«. Altin war sehr lange Zeit taub auf dem rechten Ohr und hörte auf dem linken nur eingeschränkt. Ihr Gehör erholt sich allmählich wieder. Der Violinistin Ezgi Dilan Balci wurden die Finger gequetscht.

    Es wird die Gruppe aber nicht davon abhalten, weiter Politik und Musik zu machen. Das nächste Mal hierzulande im Januar in Berlin, bei Rosa-Luxemburg-Konferenz der jungen Welt.

    11.1., 20 Uhr, Berlin, Konzert der Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Urania
  • 21.09.2021 12:44 Uhr

    Der Kräfteverschieber

    Essay: »Arbeitgeber«-Chef Dieter Hundt wurde gestern aus seinem Amt verabschiedet. Seine Leistung ist der Machtzuwachs des Kapitals und die verschärfte Ausplünderung der Beschäftigten
    Bernd Riexinger
    Von sozialpartnerschaftlicher Gestik anderthalb Jahrzehnte einge
    Von sozialpartnerschaftlicher Gestik anderthalb Jahrzehnte eingelullt: Die DGB-Gewerkschaften brauchten lange Zeit, um den neoliberalen Umbau der BRD zuungunsten der Beschäftigten zu verstehen (BDA-Präsident Dieter Hundt mit DGB-Chef Michael Som
    • Heute konferiert in Berlin der sogenannte Deutsche Arbeitgebertag. Erstmals nach 17 Jahren wird die Jahrestagung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) nicht vom Industriellen Dieter Hundt mit eröffnet. Der bisherige Präsident der wichtigsten Kapitalvertretung stand, wie angekündigt, gestern nicht erneut für das Amt zur Verfügung. Bernd Riexinger, ­Vorsitzender der Partei Die Linke, rekapituliert Hundts Jahre des Klassenkampfs von oben aus gewerkschaftlicher Sicht.




    Kurz vor Schluß durften die alten Kämpen noch mal ran: Die Stuttgarter Zeitung bot am 26. Oktober dem zu dem Zeitpunkt Noch-BDA-Chef Dieter Hundt und fünf Tage später seinem Widersacher Hans-Olaf Henkel, ehemaliger Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), die Bühne für einen letzten Schlagabtausch.

    Dieter Hundt legte vor und teilte aus. Bei seiner Wahl zum Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) im Jahr 1996, hätte er eine gespaltene Unternehmerschaft vorgefunden, die zu großen Teilen die Gewerkschaften und die Tarifautonomie abgelehnt hätte. Maßgeblich verantwortlich sei dafür der damalige Chefindustrielle Henkel gewesen. Gegen dessen Widerstand habe Hundt seitdem – so der Präsident über sich – die »Sozialpartnerschaft wieder zu einer wichtigen und funktionierenden Säule unsere Marktwirtschaft« gemacht. Henkel nimmt die Vorlage dankbar auf und keilt zurück: Hundt habe sich schon als Chef der baden-württembergischen Metallarbeitgeber Anfang der 1990er Jahre an der Wirtschaft vergangen, indem er mit der IG Metall hohe Tarifabschlüsse vereinbart habe. Besonders schädlich sei die Arbeitszeitverkürzung gewesen. Bis 1995 wurde diese in der Metall- und Elektroindustrie schrittweise auf 35 Stunden verkürzt. »Zehntausende von Arbeitsplätzen« seien vernichtet worden, schäumt Henkel. Nur seinem und dem Widerstand vieler Mittelständler, die sich die Abschlüsse von Hundts »Tarifkartell« nicht haben leisten können, sei es zu verdanken gewesen, daß in der Folgezeit Korrekturen zur Flexibilisierung der »starren Tarifverträge« vorgenommen wurden. Gelernt habe Hundt aus seinen Fehlern jedoch nicht. So seien mit dessen Zustimmung diverse Branchenmindestlöhne für allgemeinverbindlich erklärt worden. Damit hätte Hundt dem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, wie er jetzt vor der Tür steht, erst den Weg geebnet. Und das sei ja »der bisher größte Angriff auf die Tarifautonomie«, so BDI-Chef Henkel.

    Für den »Standort Deutschland«

    Auf den ersten Blick ist klar, wer von den beiden der bösere Bube ist. Henkel, der Gewerkschaftsfresser. Flächentarifverträge, gar gesetzlich verallgemeinert, seien marktwidrige Eingriffe in das Spiel von Angebot und Nachfrage, die Arbeitslosigkeit und Firmenpleiten nach sich ziehen. Die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie, so Henkel, sei gewahrt, wenn sich »Arbeitnehmer und Arbeitgeber« im Betrieb auf Entgelte und Arbeitsbedingungen einigten.

    Vor einem solchen »Häuserkampf« hatte Hundt frühzeitig gewarnt. Deswegen erscheint er vielen als fairer Gegenspieler, der zwar die Interessen der Kapitalseite vertritt, aber zugleich das Existenzrecht von Gewerkschaften anerkennt und mit ihnen Vereinbarungen im beiderseitigen Interesse trifft. So würdigte DGB-Chef Michael Sommer etwa Hundts »kluge Argumentation«, nach der die Preisgabe des Vorrangs von Tarifverträgen vor Betriebsvereinbarungen auch nicht im Sinne der Unternehmen wäre, da diese dann jederzeit mit Streiks ihrer Belegschaften rechnen müßten. Der spätere Arbeitsminister Walter Riester, der als Gewerkschaftssekretär seinerzeit mit Hundt über die 35-Stunden-Woche verhandelt hatte, würdigt dessen Aufrichtigkeit: Hundt habe immer zu dem gestanden, was er vereinbart hatte. Ein Mann, ein Wort! – sozusagen.

    Schaut man sich die Bilanz der beiden Wirtschaftsführer an, entsteht ein anderes Bild. Dann ist Henkel der Maulheld, der verbal die große Keule schwingt, jedoch dadurch den geschlossenen Widerstand der Gewerkschaften provoziert und unterm Strich nicht viel bewegt hat. Hundt hingegen setzt zwar auf deutlich moderatere Töne, kann auf der Habenseite aber deutlich mehr verbuchen.

    Sein größter »Erfolg« – wohlgemerkt als Interessenvertreter der Kapitalseite – dürfte sein, prominent daran mitgewirkt zu haben, den Korporatismus der Bonner Republik neoliberal abgelöst und das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit zugunsten des Kapitals verschoben zu haben.

    Während Henkel die Brechstange herausholte, setzt Hundt auf die Deregulierung des Arbeitsmarktes im Einvernehmen mit Politik und Gewerkschaften. Dazu mußten diese und die SPD zunächst einmal davon überzeugt werden, daß »Lohnzurückhaltung«, weniger Rente und Arbeitslosengeld, Abbau der Beschäftigtenrechte und vieles andere im gemeinsamen wohlverstandenen Interesse lagen. Dazu wurde die »Globalisierung« zum Sachzwang erhoben, Deutschland zum »kranken Mann Europas« erklärt und Gewerkschafter wie Sozialdemokraten in Betonköpfe und Modernisierer sortiert. Die Wurzeln dieser Strategie gehen weit in die 1970er Jahre zurück, Ende der 1990er Jahre trug sie Früchte. Der »Standort Deutschland« wurde zum neuen Fixstern, ihn zu hegen, galt fortan als gemeinsames Interesse von Staat, Arbeit und Kapital. Eine neue »Sozialpartnerschaft« wurde ausgerufen, und Dieter Hundt war ganz vorne dabei.

    Nun könnte man meinen, Hundt habe lediglich alten Wein in neue Schläuche gefüllt. Schließlich gehörte die auf Konsens orientierte Aushandlung zwischen den Interessenvertretern von Kapital und Arbeit sowie dem Staat bereits zum Markenzeichen der alten Bonner Republik. Tatsächlich aber haben Wirtschaftslobbyisten wie Hundt neuen Wein in alten Schläuchen angeboten. Und das mit einigem Erfolg.

    Solange die DGB-Gewerkschaften über ausreichend Stärke verfügten, konnten sie in einer Mischung aus Streikdrohung, Streik und Verhandlung wichtige Interessen durchsetzen: Lohnsteigerungen über das verteilungspolitisch neutrale Maß hinaus und deutliche Arbeitszeitverkürzungen. Mit dem Ende der Systemkonkurrenz, einer zunehmenden internationalen Flexibilität des Kapitals, ausufernder Erwerbslosigkeit und der Hinwendung der Sozialdemokratie zum Marktliberalismus ließen die Kräfte der Gewerkschaften nach. Damit geriet auch der korporatistische Interessenausgleich aus der Balance. Immer häufiger führte die Suche nach einem Konsens mit den Kapitalvertretern und der Politik nicht zum Erfolg. Dennoch benötigten die Gewerkschaften fast anderthalb Jahrzehnte, sich auf die neue Situation einzustellen. In der Zwischenzeit ließen sie sich von Kapital und Politik nicht wenige Male über den Tisch ziehen, getrieben von der Illusion, das Festhalten am Verhandlungsmodus würde ihnen wie in alten Zeiten weiterhin zum Erfolg verhelfen.

    Illusion Sozialpartnerschaft

    Hundt und seinesgleichen haben an dieser Illusion kräftig mitgebaut – und davon profitiert. Ihr Lob der »Sozialpartnerschaft« hat suggeriert, man befände sich noch immer auf dem Boden einer offenen und fairen Aushandlung von Kompromissen im beiderseitigen Interesse. Tatsächlich hat man den Gewerkschaften ein vergiftetes Angebot nach dem anderen unterbreitet: Den »Standort Deutschland« wolle man im beiderseitigen Interesse aufhübschen, wozu eine »Flexibilisierung« des Arbeitsrechts notwendig sei; das »Bündnis für Arbeit« sollte mittels »Lohnzurückhaltung« Arbeitsplätze sichern; Arbeitsplätze mit niedriger Produktivität sollten durch eine Absenkung der »Lohnnebenkosten« gefördert werden; mit »Steuererleichterungen« für Unternehmen und Großverdiener sollten Investitionen angekurbelt werden. Kurz: Mit der »neuen Sozialpartnerschaft« wurden den Gewerkschaften die Interessen des Kapitals als gemeinsame Interessen verkauft. Und das recht erfolgreich: Große Teile der Beschäftigten mußten Reallohnverluste hinnehmen, Belegschaften wurden in Kerne und Entbehrliche gespalten, die Renten-, Arbeitslosen- und Gesundheitsversicherung wurden nachhaltig geschwächt etc. – ein verlorenes Jahrzehnt für die Beschäftigten.

    Das alles wäre wiederum nicht ohne das ideologische Gewitter von Henkel und Konsorten möglich gewesen. Erst vor dem Hintergrund der aggressiven Angriffe des BDI-Chefs konnte sich Hundt als besonnener, die Gegenseite anerkennender Verhandlungspartner inszenieren und das Bild von den gemeinsamen Interessen zeichnen, als diese schon weitgehend erodiert waren.

    Der BDI-Chef Hans-Olaf Henkel spielte während seiner Amtsze
    Der BDI-Chef Hans-Olaf Henkel spielte während seiner Amtszeit die Rolle des Bösewichts, während sein scheinbarer Rivale, BDA-Präsident Hundt, den moderaten Sozialpartner mimte (Berlin, 27.11.2009)
    Verhandlungsergebnisse und Kompromisse erfordern immer Gegenmacht und eigene Stärke. Verschiebt sich das Verhältnis zuungunsten der Gewerkschaften, wie dies seit 1990 der Fall war, wird aus einer Win-Win- eine Win-Lose-Situation. Hundt hat die Kräfteverschiebung klug auszunutzen gewußt.

    Und warum sollte er die bisher so erfolgreiche Strategie ändern? Solange man Politik und Öffentlichkeit in dem Glauben halten kann, die eigenen Interessen seien identisch mit denen der Allgemeinheit, so lange wird das Lied gespielt. Dafür reicht die beständige Wiederholung einfacher Wahrheiten, vorgetragen aus verschiedenen Richtungen. »Viele Stimmen für eine Botschaft« heißt das Prinzip bei der neoliberalen »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft«. Finanziert wird die Lobbyistentruppe von Gesamtmetall, Hundts früherem Arbeitgeber, dem Interessenverband der Metall- und Elektro­industrie.

    Aktuell wird für das geplante Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den USA getrommelt, das in den Worten des nun Expräsidenten des BDA »zum Vorteil der deutschen Wirtschaft, zum Vorteil unserer Beschäftigung und damit unseres Wohlstandes« ist. Was schert es da, daß der »freie Handel« Löhne und Sozialstandards unter Druck setzt? Nichts natürlich. Das gleiche Muster findet sich bei allem, was dem zuwider läuft: Aus eigenen Interessen werden solche der Allgemeinheit. Beispiel Mindestlohn: »Gegen einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn wehre ich mich im Interesse unserer Wirtschaft und unserer Beschäftigungssituation, nicht im Interesse unseres Verbandes«, so Hundt kürzlich im Interview mit der Südwest-Presse. Noch einfacher geht es, wenn der gesellschaftliche Widerstand nicht groß und/oder die Betroffenen nicht stark sind. Mehr Burnout durch steigenden Arbeitsstreß? »Im Gegenteil: Arbeit wirkt sich deutlich häufiger positiv als negativ auf die psychische Gesundheit aus.« Zunehmende Altersarmut? »Das Thema Altersarmut wird überschätzt.« Ende der Durchsage.

    Lohndrückerei

    Man sollte das nicht mit Schlichtheit oder Ignoranz verwechseln. Es ist vielmehr ein effizienter Einsatz der eigenen Ressourcen. Wenn es dicke Bretter zu bohren gilt, widmen sich die Wirtschaftslobbyisten durchaus intensiv einer Sache. Und dabei ist auch Kreativität gefordert. Ende der 1990er Jahre verlor die Debatte um die Globalisierung an Dynamik. Das Argument, die Beschäftigten müßten sich um der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft Willen mit »moderaten« Lohnzuwächsen bescheiden, verlor an Zugkraft, die Gewerkschaften hatten dem Druck nachgegeben. Viel mehr Honig ließ sich aus Sicht des Kapitals aus der »Globalisierung« nicht saugen. Die Lobbyisten drehten die Schraube weiter: »Vor zehn Jahren war ich persönlich in Gesprächen der damaligen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder anwesend. Da haben wir anerkennend auf die Beschäftigungssituation im Niedriglohnsektor in anderen Ländern geschaut. Jetzt haben wir diese Situation verbessert«, so Hundt in der Rückschau. Wenn mit allgemeiner Lohndrückerei nichts mehr rauszuholen war, dann ginge ja vielleicht noch etwas, wenn man die Belegschaften spaltete. Dazu wurde der in Deutschland unterentwickelte Niedriglohnsektor entdeckt. Die passenden Instrumente lieferte die neoliberal gewendete SPD mit den »Hartz«-Gesetzen: Leiharbeit, Befristungen, Mini­jobs und Hartz IV.

    Die Gewerkschaften sahen in der »Flexibilisierung« der Arbeit zunächst auch Chancen, Lohn und Arbeitsplätze der Kernbelegschaften zu schützen. Zwischenzeitlich ist der Pferdefuß der ganzen Operation wohl allen klar: Der Ausbau der Niedriglohnbeschäftigung zieht die Tariflöhne nach unten. Lange Zeit ging die Strategie von Hundt und Co. jedoch auf, mit Hilfe der »Sozialpartnerschaft« die eigenen, gänzlich unpartnerschaftlichen Interessen durchzusetzen. Die in der Tradition des Korporatismus stehenden DGB-Gewerkschaften konnten sich von den sozialpartnerschaftlichen Zumutungen nicht im notwendigen Maß absetzen, anders als von Frontalangriffen à la Henkel.

    Grundsätzlich zu begrüßen ist, wenn sich Wirtschaftsvertreter wie Hundt positiv auf die Institution des Tarifvertrages beziehen. Damit ist ein Rahmen gesetzt, der die kollektive Interessenvertretung begünstigt. Zudem ist ein kulturvoller Umgang eine Leistung, auch unter Klassengegnern. Und wenn solche Umgangsformen sich einprägen, zu Institutionen werden, werden dafür Namen gefunden. Diese Namensgebung wiederum ist nie frei von Interessen, versteht es aber häufig, die der Beteiligten zu verschleiern. So verhält es sich auch bei der von Hundt gefeierten Sozialpartnerschaft. Nur einlullen darf man sich davon nicht lassen.

    Denn wenn es ums Geld geht, sind die »Sozialpartner« aus dem Wirtschaftslager genauso unerbittlich wie die Hardcore-Neoliberalen. Und wenn das Kapital leichter ans Ziel kommt, indem es die Gewerkschafter als Partner lobt, statt sie als Betonköpfe zu brandmarken, dann tut es dies eben. In der Sache sind sich die Wirtschaftslobbyisten ja meistens einig. Ob bei der Ablehnung des Mindestlohns, der Deregulierung des Arbeitsmarktes oder bei Sozialkürzungen – überall zieht man am gleichen Strang: Die Löhne müssen runter!

    Auch darf bezweifelt werden, daß der Anspruch auf Partnerschaft wirklich nicht weit reicht. Der BDA etwa fährt gerade eine PR-Kampagne für familienfreundliche Arbeitszeiten, weil man »auf die Arbeitskraft gut ausgebildeter Frauen nicht verzichten« könne, so Hundt. Und er findet warme Worte für freiwillige betriebliche Vereinbarungen. Ungesagt bleibt, daß solche Vereinbarungen in der Regel nur in einem Bruchteil der Betriebe zustande kommen. Statt dessen geht Hundt scharf mit den Plänen von Union und SPD ins Gericht, ein Recht auf befristete Teilzeit für Eltern einzuführen. Damit würde »Unfrieden in die Belegschaft getragen«, weil »Mitarbeiter immer den Ausfall von Arbeitszeit durch Mehrarbeit ausgleichen müssen«. Das ist natürlich abwegig. Wenn ein Unternehmen Teilzeitbeschäftigung organisieren will, dann wird es ihm gelingen, egal aus welchem Grund die Beschäftigten verkürzt arbeiten. Und wenn ein Unternehmen das noch nicht kann, dann wird es das lernen müssen. Ohne dies wird es eine bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familie nicht für alle Beschäftigten geben. An diesem Beispiel zeigt sich auch, daß Hundt den Begriff der Sozialpartnerschaft mitunter recht eigentümlich auslegt: Stifte Unfrieden in den Unternehmen, indem du behauptest, einige würden auf Kosten der anderen leben. Das hält die Ansprüche klein, und die Chefs haben ihre Ruhe.

    Patriarch alter Schule

    In Hundts eigenem Unternehmen, den Allgaier Werken, ist es mit der von ihm gelobten Sozialpartnerschaft mitunter ebenfalls nicht weit her. So hat der Karosseriebauer mit Verweis auf die Konkurrenz Anfang 2011 entschieden, zukünftig 15 Prozent der Beschäftigten durch Leiharbeiter zu ersetzen, nachdem bereits 110 Beschäftigen gekündigt worden war. Selbstredend waren der Belegschaft zuvor bereits Gehaltskürzungen und der Verzicht auf Sonderzahlungen abgenötigt worden. Das übliche Spiel also. Der zuständige IG-Metall-Bevollmächtigte spricht deshalb von einem »Kulturwandel«. Mit Hans-Olaf Henkel könnte man sagen: Mit ein bißchen weniger sozialem Frieden geht es auch. Hundt ist also in diese Richtung lernfähig. Allerdings gibt es Grenzen. Die Beteiligung der Beschäftigten am eigenen Unternehmen etwa, wie sie von anderen Mittelständlern als zeitgemäße Form der Mitarbeiterbindung und -motivation propagiert wird, ist für Hundt nicht der Rede wert. Statt dessen erhöhte er seinen Anteil und den seiner Kinder am Unternehmen zu Beginn dieses Jahres auf 100 Prozent. Sozialpartnerschaft hin oder her, der Patriarch weiß schon, was gut für seine Schäfchen ist.

    Allen Bekenntnissen zu Sozialpartnerschaft, Tarifverträgen und sozialem Frieden zum Trotz ist in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren Europas größter Niedriglohnsektor entstanden und prekäre Beschäftigung für ein Drittel aller Beschäftigten »normal« geworden. Diese Lohndrückerei ist mitverantwortlich für den Niedergang der Sozialversicherungen, die sinkende Binnennachfrage und für die wirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euro-Raum. Wie konnte es soweit kommen, wo Hundt und Co. sich doch zugutehalten, die Gewerkschafts- und Sozialstaatshasser vom BDI unter Henkel zurückgedrängt zu haben?

    Die Sache liegt ganz ähnlich wie im Feld der Politik: Union und FDP hätten sich in den 1990er Jahren aus Angst vor einem Aufstand der Gewerkschaften nie getraut, den Sozialstaat frontal anzugreifen. Das konnte sich erst die SPD unter Gerhard Schröder erlauben, die die Gewerkschaften in einer Mischung aus Drohung vor einer erneuten schwarz-gelben Regierung und ideologischem Gerede vom Dritten Weg betäuben konnte. Und als das Gift nachließ, waren Hartz IV, Rentenkürzungen und Einschnitte ins Gesundheitssystem schon in trockenen Tüchern. Ähnlich verhält es sich bei den Wirtschaftslobbyisten. Die Lautsprecher vom BDI hatten die Parolen, aber das Feld bestellt haben die »Sozialpartner« von der BDA mit ihrer kumpelhaften Tour.

    Wer nicht untergebuttert werden will, der braucht vor allem eins: eigene Stärke. Erst dann hat man die Chance auf Erfolg. Und das ganz gleich, ob der Gegner auf Konfrontation aus ist oder sich als dein »Sozialpartner« ausgibt. Das gilt für Gewerkschaften wie für die Linke im allgemeinen. Und im speziellen gilt es auch für die Partei Die Linke. Wenn wir schwach sind, wären Opposition oder Koalition nur Label, durchsetzen könnten wir in beiden Fällen nichts. In der Opposition könnten wir laut tönen, in einer Koalition könnten wir das Fähnchen von der »linken Mehrheit« schwenken. Die Musik würde aber anderswo gespielt. Beides sollte uns nicht widerfahren.



    Bernd Riexinger ist Gewerkschafter und Vorsitzender der Partei Die Linke. Er nimmt an einem Podiumsgespräch auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz teil.
  • 21.09.2021 12:43 Uhr

    Frankreichs Abstieg

    Die deutsche Dominanz treibt die Europäische Union »in den Zusammenbruch«, warnt ein Banker in Paris. Das Nachbarland soll eben auch Hartz IV einführen, fordert Berlin
    Jörg Kronauer
    Frankreichs Präsident Hollande, Bundeskanzlerin Merkel, EU-
    Frankreichs Präsident Hollande, Bundeskanzlerin Merkel, EU-Parlamentspräsident Schulz und der Chef der EU-Kommission, Barroso, beim Gipfel gegen Jugendarbeitslosigkeit in Paris
    »Die deutsche Frage« – so überschrieb die französische Wirtschaftszeitung Les Echos am Dienstag einen Diskussionsbeitrag zur Euro-Krise. Es könne nicht angehen, erklärte der französische Banker Jean-Luc Baslé, daß Deutschland auf Dauer nur auf Export setze und die Industrie in anderen Euro-Ländern, etwa in Frankreich, niederkonkurriere, anstatt auch einmal die Nachfrage im eigenen Land zu stärken. Führe die Bundesrepublik diese Praktiken fort, dann werde sie die EU »in den Zusammenbruch« treiben. Auch Frankreich, daran ließ der Autor keinen Zweifel, sei von der deutschen Exportoffensive übel zugerichtet worden. Die Deutschen seien zur Zeit schlicht dominant.

    »Die deutsche Frage« – so hatte Les Echos schon einmal einen Diskussionsbeitrag überschrieben. Das war im April 2010; damals tobte der Grundsatzstreit zwischen Berlin und Paris, wie die Euro-Krise zu lösen sei. Die Bundesregierung bestehe auf ihren Spardiktaten, weil sie meine, nur mit Niedriglöhnen den Weltmarkt erobern zu können, wobei man ja etwa gegen China konkurrieren müsse, urteilte der Autor des damaligen Artikels, ein Wirtschaftsjournalist. Die Folgen für andere europäische Staaten seien Deutschland egal: »›Europa verarmt? Na und?‹ hört man jenseits des Rheins.« Tatsächlich setzte Berlin sich damals gegen Paris durch – und unterwarf die EU seiner Austeritätspolitik. Damit war auch der ökonomische Absturz Frankreichs besiegelt.

    Wie der Niedergang sich seitdem vollzieht, das zeigt ganz trocken die Statistik. 1999 verzeichnete Frankreich noch ein Außenhandelsplus von 39 Milliarden Euro, gehörte sozusagen zu den Nettoverdienern. Ganz rund lief’s in den Jahren danach schon intern nicht; vor allem aber ergaben sich Probleme, weil sich im Nachbarland SPD und Grüne an die Agenda 2010 und den Abriß sozialer Standards machten. Während in Frankreich die Reallöhne weiter stiegen – von 2000 bis 2008 um 9,6 Prozent –, wurden sie in Deutschland, damals dem einzigen EU-Land mit einer Reallohnkürzung, um 0,8 Prozent gesenkt. Dies und ähnliche Maßnahmen trugen dazu bei, daß die Bundesrepublik ihre Verkäufe in Frankreich deutlich steigern konnte, während die französische Industrie zu schwächeln begann. 2010 war Frankreich im Außenhandel längst ins Minus geraten und mußte ein Defizit von 51,4 Milliarden Euro verkraften; mehr als die Hälfte davon, 30 Milliarden, flossen an Lieferanten in der Bundesrepublik. Im vergangenen Jahr verdiente Deutschland sogar 40 Milliarden netto an seinen Frankreich-Exporten. Ohne die Krisenspardiktate hätte Paris das vielleicht noch irgendwie auffangen können. Die von Berlin erzwungene Austeritätspolitik läßt jedoch keinen Raum.

    Was tun? Hartz IV kopieren, fordert Berlin, mit Austeritätsmaßnahmen ebenfalls den Export ankurbeln, und wenn dann Drittstaaten außerhalb der EU wegen einer europäischen Export­offensive dauerhaft ins Minus und in die Krise geraten, dann ist das ihr Problem. Im Dezember 2011 lenkte Nicolas Sarkozy nach erbitterten, aber vergeblichen Verteidigungskämpfen ein und bat demonstrativ den Genossen der Bosse, Gerhard Schröder, in den Élysée-Palast. Das Gesprächsthema? Die Agenda 2010, die Sarkozy kurz zuvor bei einem TV-Auftritt als »das deutsche System« umschrieben hatte. Nur: In Frankreich lassen sich Löhne nicht so umstandslos kürzen wie in Deutschland. Der »politische (…) Widerstand« gegen neoliberale Zumutungen sei dort breit verankert, räumte kürzlich die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) ein, die Kampfbereitschaft französischer Gewerkschafter diplomatisch verklausulierend. Daß Präsident François Hollande nach kurzem, vergeblichem Aufbäumen jetzt eigentlich den Schröder machen müßte, was seine Basis aber – anders als die deutsche – kaum zuläßt, das ist ein zentraler Grund für seine desolate Lage.

    Nun könnte man sagen: Die Bundesrepublik war schon immer eine Wirtschaftsmacht, während Frankreich ökonomische Schwächen durch eine teils aggressive Außenpolitik meist annähernd ausgleichen konnte. Genau dies versucht Paris seit Jahren, um sich gegen den wirtschaftlichen Durchmarsch Deutschlands zu behaupten. Präsident Sarkozy ging sofort nach seinem Amtsantritt in die Offensive. Sein erstes Projekt, die EU-Mittelmeer-Union, sollte Frankreichs Einfluß in einem Teil seines traditionellen Expansionsgebiets stärken. Das Projekt scheiterte an der Sabotage Berlins, das die Mittel der EU in seinem eigenen ost- und südosteuropäischen »Hinterhof« nutzen will und sich damit bislang stets durchgesetzt hat. Keine Mittelmeerunion also, dafür aber zuvor die EU-Osterweiterung und jetzt die sogenannte Östliche Partnerschaft.

    Nicht anders sieht es mit militärischen Operationen aus. »Das Eurokorps ist kein Afrikakorps«, dekretierte der damalige Bundesverteidigungsminister Volker Rühe 1994, als zu spüren war, daß Frankreich »europäische« Kriege nicht ausschließlich zur Strukturierung des deutschen »Hinterhofs« etwa in Jugoslawien führen wollte. Die zwei EU-Interventionen im Kongo konnte Berlin nicht verhindern, setzte jedoch den pünktlichen Abzug nach wenigen Monaten durch; das war bislang an keinem anderen Einsatzort der Bundeswehr der Fall. Widerstände gegen Kriege, die französischen Interessen mehr dienen als deutschen, werden von der Bundesregierung seither publikumswirksam als Friedenspolitik verkauft. Und weil Frankreich, ökonomisch arg geschwächt, in den letzten Jahren immer wieder zu bewaffneter Gewalt greift, um seinen Einfluß zu sichern, gelingt Berlin das erstaunlich gut.

    Dabei steht Paris auch militärisch eher vor einem Trümmerhaufen. ­Libyen? Dort regiert das Chaos. Syrien? Obama hat den Überfall abgeblasen und damit nebenbei Hollande schwer düpiert. Mali? Da sind die Deutschen vorsichtig mit von der Partie, weil sie in Westafrika einen Fuß in die Tür bekommen wollen, also eigene Interessen haben. Allerdings ist auch hier – ganz wie etwa 2002 in Afghanistan – keineswegs ausgemacht, ob die »Stabilisierung« der nordmalischen Wüstengebiete unter französischem Kommando gelingt. Ein Scheitern würde Frankreichs Abstieg noch weiter beschleunigen.

    Jörg Kronauer ist Referent der von junge Welt veranstalteten XIX. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11. Januar 2014 in Berlin

Abonnieren Sie den Konferenz-Newsletter