75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Freitag, 22. November 2024, Nr. 273
Die junge Welt wird von 2993 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €

Aktuell

  • 27.01.2022 10:22 Uhr

    Streaming für den Frieden

    In Zeiten westlicher Kriegshetze: Die XXVII. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz setzte auf die Kraft der Aufklärung und Solidarität
    Stefan Huth
    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz100528 Kopie.jpg
    Neuer Rekord in puncto Reichweite: Im Laufe des Konferenztages waren in Deutschland rund 24.000 Endgeräte zugeschaltet, nebst zahlreichen weiteren in anderen Ländern

    Stimmungsmache gegen Moskau und Beijing auf allen Kanälen, Boykott- und Strafaktionen, Ultimaten, Drohgebärden und Erpressungsmanöver, alles begleitet von einem ungehemmten Aufrüstungskurs – die NATO und die ihr angeschlossenen Institutionen werden immer aggressiver. Man darf annehmen: Das ist nicht nur bloße Show. Als »letzte Hoffnung der Reichen« und Befreiungsschlag bereitet der Pakt tatsächlich einen großen Krieg vor. Was hätten die Herrschenden auch für Alternativen in einem auf Maximalprofit und Expansion angelegten System, das objektiv an seine Grenzen stößt? Seit dem Ende des Kalten Krieges war der Weltfrieden wohl selten so bedroht wie heute.

    Höchste Zeit also, mit der Kraft der Aufklärung und Solidarität gegenzuhalten, politische Alternativen in den Blick zu nehmen und zu stärken. So gesehen, erwies sich der thematische Schwerpunkt der diesjährigen Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK) als gut gewählt. Die 27. Ausgabe des von junge Welt und zahlreichen Unterstützergruppen organisierten Neujahrsempfangs der deutschsprachigen Linken war eine höchst aktuelle politische Intervention. Sie bot nicht nur Gegenakzente, sondern ein inspirierendes und Mut machendes Gegenprogramm zum Irrsinn der laufenden Kriegshetze.

    Dabei war es pandemiebedingt zunächst eine Hängepartie, und sie dauerte etliche Wochen: Wird die RLK endlich wieder als Saalveranstaltung in Berlin stattfinden können oder wie im Vorjahr ausschließlich online? Stress für alle Beteiligten in Redaktion und Verlag, mussten doch parallel zwei Veranstaltungen durchgeplant werden, mit allen Variablen, von der Technik bis zur Frage, ob die Referenten überhaupt physisch präsent sein können.

    Nachdem das Infektionsgeschehen die Organisatoren im Dezember gezwungen hatte, auf ein reines Onlineevent »umzuswitchen«, war klar: Die Zahl internationaler Gäste vor Ort in Berlin würde vor allem infolge der Restriktionen bei der Einreise sehr überschaubar bleiben. Am Ende beschränkte sie sich auf Dmitri Nowikow. Mit dem Vizevorsitzenden der KPRF konnte nach langer Zeit wieder ein russischer Gast auf der RLK begrüßt werden. Sein Vortrag legte mit Rückgriff auf Lenins Imperialismustheorie gleichsam die Grundlage für alle nachfolgenden. Er machte deutlich: Der kollektive Westen ist ökonomisch längst auf dem absteigenden Ast, in der Folge auch politisch, ideologisch und kulturell. Aus der Hegemoniekrise des Imperialismus ergibt sich der Zwang zum nächsten großen Krieg. Wer für dessen Kosten aufzukommen hat, darüber sprach Lucia Pradella, die den Kurs der Hochrüstung und die daraus resultierende verschärfte Ausbeutung in den Blick nahm. Imperialistische Landnahme geht mit dem Abbau bürgerlicher Rechte einher. Dass sie politische Umstürze selbstverständlich einschließt, zeigte Juan Ramón Quintana am Beispiel Bolivien. Aber auch medialer Manipulation kommt eine zentrale Rolle dabei zu, die Masse der Bevölkerung hinter den NATO-Aggressionskurs zu bringen, wie Rania Khalek und Jeremy Corbyn darlegten. Das sozialistische Kuba demonstriert, was möglich ist, wenn eine Gesellschaft nicht nach Profitlogik, sondern nach menschlichen Bedürfnissen organisiert wird. Das war das Thema von Rosario del Pilar Pentón Díaz, die damit zugleich Beispiele für konkreten Widerstand nannte.

    Die Vorträge werden in dieser Beilage teilweise gekürzt wiedergegeben. Langfassungen sind in der Mitte März erscheinenden RLK-Broschüre nachzulesen, auch die zahlreichen anderen politischen und kulturellen Beiträge der Veranstaltung werden darin dokumentiert.

    Deren Erfolg ist keine bloße Behauptung, er ist messbar. Im Laufe des Konferenztages waren in Deutschland rund 24.000 Endgeräte zugeschaltet, nebst zahlreichen weiteren in anderen Ländern, auf anderen Kontinenten, wohin Partnerorganisationen den in drei Sprachen gedolmetschten RLK-Livestream übertrugen. Ein neuer Rekord in puncto Reichweite. Dass die kostspielige Konferenz kein finanzielles Debakel wurde, ist der Spendenbereitschaft der Zuschauerinnen und Zuschauer zu verdanken, dass sie überhaupt gelang, dem Engagement zahlreicher Helferinnen und Helfer. Ihnen allen sei an dieser Stelle sehr herzlich gedankt!

  • 14.01.2022 19:30 Uhr

    Medienresonanz und Aborekord

    Ein paar Zahlen zur XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
    16_k1.jpg
    Drei Streams, drei Sprachen. Dank Streamingpartnern und Simultanübersetzung hatte die RLK weltweit Zuschauer, u.a. in Lateinamerika

    Die Veranstalter und Unter­stützer der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz sorgten auch in diesem Jahr dafür, dass Gäste aus sieben Ländern (Libanon, Kuba, USA, Großbritannien, Italien, Bolivien, Russland) ihre Positionen, Erfahrungen und Ansichten vorstellen konnten. Das geht auch digital, und trotzdem freuen wir uns darauf, im kommenden Jahr diese Kontakte und Kommunikation wieder vor Ort gemeinsam erleben zu können. Immerhin gelang es uns aber, durch die Onlineausstrahlung einen neuen Teilnehmerrekord zu erzielen: 23.981 Endgeräte wurden allein über unseren Dienstleister Vimeo registriert, hinzu kommen Kontakte über soziale Medien (Facebook, Twitter, Instagram) und die Übernahme des Programms in englischer und spanischer Sprache durch verschiedene Streamingpartner in Europa und Lateinamerika. Das soll für die kommende Konferenz, die am 14. Januar 2023 in Berlin stattfinden wird, noch ausgebaut werden.

    Trotz dieser hohen Beteiligung und trotz der interessanten Gäste konnte man später in keiner deutschen Tageszeitung nachlesen, was etwa Jeremy Corbyn aus Großbritannien, Dmitri Nowikow aus Russland oder Juan Ramón Quintana aus Bolivien zur wachsenden Kriegsgefahr zu sagen hatten. Nachdem in den vergangenen Jahren nach und nach alle bürgerlichen Medien ihre Berichterstattung über die Konferenz eingestellt hatten, schlossen sich dem nun auch Taz und ND an. Immerhin wurde am Konferenzsamstag im sogenannten Morgenbriefing vom Nachrichtenmagazin Spiegel ein Hinweis auf die Veranstaltung gegeben. Da beschäftigte sich Melanie Amann aus der Chefredaktion auch mit der aktuellen Rosa-Luxemburg-Konferenz. Sie trage das Motto »Hände weg von Russland und China«, berichtete sie, um dann anzumerken: »Das Timing für diesen Appell könnte kaum schlechter sein in einer Zeit, in der sich Russland die Hände schmutzig macht in der Ukraine oder bei der Niederschlagung der Bürgerproteste in Kasachstan.« Als Medium muss man sich eben entscheiden: Wirkt man mit bei der Vorbereitung des nächsten großen Krieges oder tut man alles dafür, diesen zu verhindern. Immerhin hat der Spiegel das getan, was viele andere Medien tunlichst vermeiden: Er informiert darüber, dass es eine andere Meinung als die allgemein veröffentlichte gibt und dass diese mit der Rosa-Luxemburg-Konferenz ein Forum hat. Wir schlussfolgern daraus, dass Veranstalter und Unterstützer der Konferenz künftig noch stärker für die Teilnahme werben und ihren Stellenwert für die europäische Linke überall bekanntmachen sollten.

    Gleiches gilt übrigens auch für die Gewinnung neuer Abonnements für die Tageszeitung junge Welt. Nur mit mehr Leserinnen und Lesern wird diese Zeitung für Gegenöffentlichkeit noch besser zur Kenntnis genommen. Und eine starke junge Welt wird nicht zuletzt auch dafür gebraucht, um solche Projekte wie die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz organisieren und finanzieren zu können. Um so erfreulicher ist es, dass auf der diesjährigen Konferenz so viele Abos gewonnen werden konnten wie nie zuvor im Rahmen einer Konferenz: 267 Bestellungen gingen am Samstag und in den Tagen danach bei unserem Verlag ein, vor allem Aktionsabos. Und das darf gerne in den nächsten Wochen noch so weitergehen, denn dieses 75er Aktionsabo kann noch bis zum 19. Februar 2022 bestellt werden. Damit stärken wir gemeinsam nicht nur die junge Welt für die vor ihr liegenden Aufgaben, sondern schaffen auch Spielräume für die kommende XXVIII. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz.

    Verlag, Redaktion, Genossenschaft junge Welt

  • 09.01.2022 19:30 Uhr

    Klartext für den Frieden

    Fall Julian Assange, Palästina-Solidarität und Antikriegsbewegung: Jeremy Corbyn bezieht auf internationaler Rosa-Luxemburg-Konferenz Position
    Matthias István Köhler
    asdas.jpg
    »Wir brauchen keinen neuen kalten Krieg«: Der frühere Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn auf der RLK am Sonnabend

    Mit etwas Verspätung zwar, dann aber mit gewohnter Deutlichkeit: Der frühere Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn bezog am Sonnabend in seiner Rede auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Sektion »Gleichschaltung der Medien: Manipulation vor Information« klar Position zu vielen Themen, die Linke derzeit umtreiben.

    Er erinnerte daran, dass es vor und nach den Parlamentswahlen in Großbritannien 2019 eine großangelegte Medienhetzkampagne gegen seine Partei, aber insbesondere auch gegen ihn gegeben hatte. Für die weltweite Unterstützung, die er damals erhielt, bedankte sich Corbyn. Nichts habe so geschmerzt, erklärte der frühere Labour-Chef, wie die damals gegen ihn gerichteten Vorwürfe. »Doch ich bin Antirassist und werde als Antirassist sterben.«

    In diesem Zusammenhang hob Corbyn noch einmal die Bedeutung der Black-Lives-Matter-Bewegung hervor. Er erinnerte auch an den kürzlich verstorbenen südafrikanischen Bischof und Antiapartheidkämpfer Desmond Tutu. Viele, die in der bürgerlichen Presse lobende Nachrufe auf ihn verfasst haben, hätten dabei speziell den Aspekt seiner Solidarität mit den Palästinensern oder den Kurden verschwiegen.

    Ein besonderes Augenmerk schenkte Corbyn der Solidaritätskampagne für den Wikileaks-Gründer und Journalisten Julian Assange, der in Belmarsh in einem Hochsicherheitsgefängnis sitzt. »Ein Ort, wo man nicht sein will.« Whistleblower seien wichtig, weil sie die Wahrheit ans Tageslicht brächten. Er freue sich, dass die Kampagne zu Assanges Freilassung immer mehr an Fahrt aufnehme. Auch das von Corbyn gegründete »Peace and Justice Project« unterstütze sie – seine Partei hingegen schwanke jedoch noch.

    »Wir müssen in einer Welt des Friedens leben«, so Corbyn. Und es seien »sozialistische Prinzipien«, wonach wir streben müssten. Allerdings seien im vergangenen, von der Pandemie dominierten Jahr die Milliardäre und Waffenverkäufer wieder reicher geworden, während die soziale Ungleichheit sich verschärft habe. Aber es gebe auch gute Zeichen, wie die Wahlsiege der Linken in Bolivien, Chile und Honduras.

    Mit Blick auf das Treffen von US-Präsident Joseph Biden mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin brachte Corbyn seine Hoffnung auf einen neuen Dialog zum Ausdruck, denn: »Wir brauchen keinen neuen kalten Krieg.«

  • 09.01.2022 19:30 Uhr

    Freche Zuversicht

    Bleiben wir bei unseren Liedern: Die Kulturbeiträge auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin
    Ken Merten
    D22D010ycxy8RosaLuxemburgKonferenz132717.jpg
    Der Unwissenheit etwas entgegensetzen: Die Grenzgänger

    Die Kunst der Marxistinnen und Marxisten ist die Vermittlung. Einer zornigen Masse dienen sie mit der kühlen Einsicht in die Parameter jenes Ausbeutersystems, das nur auf bestimmte Weise getreten werden kann, so dass es fällt; Vereinzelten, für wie großkopfert sie sich auch halten mögen, legen sie nahe, dass man sich nicht nur alleine und aus purer Verzweiflung wehren kann, dass es auch Aussicht auf Erfolg gibt, in einer Bewegung, die die Atomisierung aufhebt. Und Marxistinnen und Marxisten kennen das Weltgesetz, dass eine Grenze stets zwei Seiten haben muss, und sie übertragen von der alten Ordnung, in der die Seiten diese und jene Nation oder dieses und jenes Volk sein mögen, auf eine neue, höhere Art der Organisation, die da Verse hervorbringt wie diese: »Wenn sie uns zwingen, die Barbaren, / Soldat zu spielen noch einmal, / wir werden unsre Kugeln sparen / für unsern eignen General«.

    Die Zeilen stammen selbst aus einer Vermittlung: Erich Weinert übertrug 1937 »Die Internationale« auf Grundlage des Liedes »L’Internationale« des französischen Kommunarden Eugène Pottier. Es ist die nichtkanonisierte Variante, gesungen wird hierzulande fast ausschließlich die Version des Gewerkschafters Emil Luckhardt von 1910. Bislang auch jeweils zum Abschluss der Rosa-Luxemburg-Konferenz. Für den letzten Akt der vergangenen Samstag aus der jW-Ladengalerie live ­gestreamten 27. Ausgabe der internationalen Konferenz entschieden sich Die Grenzgänger für die Weinert-Übertragung.

    Es war der Schlusspunkt nicht nur einer politischen Manifestation. Auch die kulturelle Vermittlung, so schon eingangs der Konferenz von der Balkanbeats-Band Skazka bewiesen, können Marxistinnen und Marxisten.

    Eine Große dieser Kunst war Esther Bejarano. Die Überlebende des KZ Auschwitz-Birkenau und Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in der BRD war im Juli letzten Jahres gestorben. Bis zuletzt war sie aktive Antifaschistin und kämpfte mit Wort und Stimme gegen das Vergessen und Vertuschen der Verbrechen der deutschen Faschisten und deren Wiedererstarken. Der Schauspieler Rolf Becker hielt die Laudatio »Gedenken ohne Wenn und Aber. Abschied und Auftrag« auf seine »große Schwester«. Er ließ sie – begleitet von Gesten die zeigten, dass eine liebe Freundin und Weggefährtin von ihm und von uns gegangen ist – durch sich sprechen: für den aktiven Kampf in Solidarität mit den streikenden Kolleginnen und Kollegen, in der antirassistischen, internationalistischen Solidaritätsbewegung und gegen die Kriegshetze gegen Russland und China. Kein Zweifel: Abschied und Auftrag.

    Ohne Wenn und Aber auch das Set der 1989 in Bremen gegründeten Truppe Die Grenzgänger. Mit Gitarre, Cello, Akkordeon und Gesang leistet die Folkband Aufklärungsarbeit, ihr letztes Album »Die Lieder der Commune« steuert musikalisch gegen die verbreitete Unwissenheit um den ersten Sozialismusanlauf, den »Sozialismus in einer Stadt«, wie der Autor Dietmar Dath die Pariser Kommune von 1871 nannte. Die dargebrachten Lieder sind melancholisch und so kitschfrei optimistisch, wie es nur Arbeiterlieder können. Esther Bejarano hätte das gefallen.

    Was die Härte der Zustände bedeutet, aber auch die in ihnen steckenden Möglichkeiten zu ihrer Verbesserung und letztlich ihrem Umsturz transportiert der serbische Regisseur Srdan Golubovic mit seinem sozialrealistischen Spielfilm »Vater – Otac«. Die Chefredakteurin von Melodie & Rhythmus, Susann Witt-Stahl, sprach mit ihm über einen Film, in dem viel zuviel aus Furcht und Scham zu Boden geschaut wird, in dem der Protagonist lernt, den Menschen zu misstrauen und sich liebevoll oft nur noch jenen Wesen zu zeigen vermag, die ihn nicht schlagen, ihn nicht arm machen, ihm nicht die Kinder wegnehmen können: selbst vom Menschen drangsalierten Straßenhunden. Dass es in dem im Dezember angelaufenen Film zuviel an Missständen gibt, ist kein Argument gegen den Film, sondern eines gegen die Verhältnisse, die dieser zeichnet. Der Film, so Golubovic gegenüber jW im Vorfeld der Konferenz, zeige Serbien »genau so, wie es ist.« Eingeschlossen: der Kampf um den Wandel und die Rückgewinnung der Zuversicht, die Solidarität schafft.

    Wie es ist, so wird es bleiben, das ist, was seit der Konterrevolution hierzulande in Ost und West vorgegaukelt wird. Dass es so bleibt, daran wird auch gearbeitet: Kulturförderung wird gestrichen, Kunstschaffende werden prekarisiert. Auch das Simon-Dach-Projekttheater Berlin (SiDat!) kann davon berichten. Für ihr Projekt »Hoelz trifft Bischofferode« musste Peter Wittig, der darin Volker Brauns »Die hellen Haufen« für die Bühne adaptierte, selbst aufkommen. Aus der eigenen Tasche herausgekommen ist eine Inszenierung, die mehrere historische Kämpfe zusammendenkt: In Volker Brauns Erzählung sind es streikende Arbeiter, die 1992 aus Wut über die Treuhand gen Berlin marschieren, ähnlich der Bauern, die Thomas Müntzer um sich scharte – ähnlich vergebens, will man sagen. Auch die von dem Linksradikalen Max Hoelz angeführten Aufstände Anfang der 1920er traten die bestehende, sicher im Sattel sitzende Ordnung nicht fest genug.

    Die Inszenierung des SiDat!, in die man durch kurze Videosequenzen Einblicke gewinnen konnte, stellt die kollektive Kraft der Wütenden durch steten chorischen Sprechgesang dar. Der Aufstand mag gescheitert sein, die Verhältnisse, die Aufstände und ganze Revolutionen gebären, sind noch da. Auch die Wut ist geblieben. Singen dann zwei mit Pestdoktorenmasken »Friede, Friede den Palästen« auf der Melodie des »Liedes der Deutschen« von Hoffmann von Fallersleben – man kennt es von Länderspielen vorm Anpfiff – dann wirkt die bestehende Ordnung so gar nicht sattelfest, vielmehr kränklich und ängstlich.

    In Erich Weinerts »Internationale« heißt es im Kehrreim: »Zum letzten Kampf! Ihr alle, / ihr Völker im Verein! / Die Internationale / wird alle Menschheit sein!« Bleiben wir also besser bei diesen, bei unseren Liedern. Sie vermitteln, wofür es zu kämpfen lohnt. Und gekämpft wird weiter: Die XXVIII. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz findet am 14. Januar 2023 statt – in der Max-Schmeling-Halle, die dafür in Max-Hoelz-Halle umbenannt wird. »Sie nennen es Frechheit, ich revolutionäres Klassenbewusstsein«, sagte Hoelz 1921 vor dem Moabiter Sondergericht in seiner »Anklagerede gegen die bürgerliche Gesellschaft«.

  • 09.01.2022 19:30 Uhr

    »Klar sagen, wer Aggressor ist«

    »Wie wir den nächsten großen Krieg verhindern«. Auszüge aus der Podiumsdiskussion auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
    qwd.jpg
    V. l. n. r.: Martin Singe (Pax Christi), Andrea Hornung (Bundesvorsitzende SDAJ), Horst Schmitthenner (Exvorstandsmitglied IG Metall), Stefan Huth (jW-Chefredakteur), Esther Zimmering (Schauspielerin) und Sören Pellmann (MdB Die Linke)

    Am Sonnabend diskutierte junge Welt-Chefredakteur Stefan Huth mit Sören Pellmann (MdB, Die Linke), Andrea Hornung (Vorsitzende der SDAJ), Horst Schmitthenner (IG Metall), Martin Singe (Pax Christi, Sprecher von »Büchel ist überall – ­atomwaffenfrei.jetzt«) und Esther Zimmering (Schauspielerin) zum Thema »Wie wir den nächsten großen Krieg verhindern«. Wir dokumentieren an dieser Stelle das Podiumsgespräch in Auszügen. (jW)

    Stefan Huth: Die Friedensbewegung hierzulande ist schwach. Es gibt traditionelle Strukturen wie die »Kooperation für den Frieden« oder den »Bundesausschuss Friedensratschlag«, es gibt auf allen Ebenen Treffen und Aktionen, aber angesichts der wirklich großen Bedrohungslage passiert doch zuwenig. Auch mangelt es an Orientierung. Wer ist der Hauptaggressor? Was ist mit der NATO? Darüber wird gestritten, nicht nur in der Bewegung, sondern auch in der Linkspartei. Esther, du hast dich Anfang der 1990er in der Friedensbewegung gegen den Zweiten Golfkrieg engagiert und später in der Flüchtlingssolidarität.

    Esther Zimmering: Ich komme aus einer sehr politischen Familie. Der Schriftsteller Max Zimmering war der Bruder meines Opas, mein Opa war der erste Vertreter der DDR bei der UN. Als der Krieg losging, bin ich mit auf die Straße gegangen. Wir haben den Verkehr blockiert und uns vor die Autos geworfen: »No War – kein Krieg.« So richtig politisch geworden bin ich dann aber erst wieder 2013, als die Geflüchteten den Oranienplatz besetzt hatten. Da habe ich Essen und Kleidung vorbeigebracht und bin auf Demonstrationen gegangen.

    Huth: Das Flüchtlingsthema hängt ja eng zusammen mit der Kriegsfrage. Am Oranienplatz waren viele Geflüchtete aus Libyen, wo 2011 Ghaddafi gestürzt worden war – unterstützt von einer westlichen Militärintervention aus der Luft.

    Zimmering: Das war sehr interessant, dass der Blick der Geflüchteten auf Ghaddafi ein ganz anderer war. Ihnen ging es darum, dass Ghaddafi derjenige war, der ein vereinigtes Afrika gründen wollte und eine Währung für den ganzen Kontinent. Aus der Sicht der ghanaischen Flüchtlinge, die ich dort kennengelernt habe, war das der Beweggrund, Ghaddafi zu ermorden. Die Migranten hatten in Libyen Arbeit, es ging ihnen vergleichsweise gut. Solche Aspekte wahrzunehmen, das habe ich dann bei der »Unteilbar«-Demo, wo wirklich Massen auf der Straße waren, vermisst. Gegen Rassismus – ja, auf jeden Fall, aber die deutliche Positionierung gegen den Krieg, die hat mir gefehlt.

    Huth: Andrea, du bist ebenfalls über die Friedensbewegung politisiert worden und warst bei den Ostermärschen. Was waren deine Motive?

    Andrea Hornung: Mir war nie begreiflich, warum Menschen Krieg gegeneinander führen. Im Schulunterricht hatte ich immer den Eindruck, man versucht uns zu erklären, Ursache der Kriege seien die Handlungen böser Menschen. Das hat mich nicht überzeugt. Bei den Ostermärschen habe ich eine andere Analyse kennengelernt, nämlich dass Krieg etwas mit den gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun hat, mit dem Kapitalismus, und zwar dem in seinem imperialistischen Stadium. So bin ich dann auch zur SDAJ gekommen.

    Huth: Du bist Physikerin. Seit der Entwicklung der Atombombe haben sich Physiker immer wieder auch politisch geäußert. Ich denke da etwa an die Bewegung »Kampf dem Atomtod« und die Erklärung der »Göttinger Achtzehn«. Gab es da Bezüge in deinem Studium?

    Hornung: Bevor ich angefangen habe zu studieren, wurde an der Uni Frankfurt eine Zivilklausel durchgesetzt, es durfte also nicht militärisch geforscht werden. Das war ein großer Erfolg, an dem auch die Physiker beteiligt waren. Aber allgemein wird das Fach doch sehr unpolitisch gelehrt in bezug darauf, welche Verantwortung man als Wissenschaftlerin hat. Die Göttinger Achtzehn kamen aber tatsächlich in einer Vorlesung vor. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir als Friedensbewegung auch die Wissenschaft für uns gewinnen.

    Huth: Horst Schmitthenner, du warst schon Anfang der 1960er Jahre in der Friedensbewegung aktiv und hast stets versucht, das mit deinem gewerkschaftlichen Engagement bei der IG Metall zu verbinden. Die Bewegung gegen die Atomaufrüstung der Bundeswehr hat damals viele Menschen erfasst.

    Horst Schmitthenner: Wir haben Anfang der 1960er Jahre auf die Schlackehalde der Stahlwerke Südwestfalen geschrieben »Kampf dem Atomtod!«. Aber das war eher moralische Entrüstung. Politisch ausgefüllt wurde das erst später, als man nach und nach mit marxistischen Positionen in Berührung kam.

    Huth: Und das war in gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen?

    Schmitthenner: Das war in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit. Da gab es viele ehrenamtliche Referenten, die einen marxistischen Hintergrund hatten, unter anderem der Politikwissenschaftler Frank Deppe und einige andere Marburger, die bekannt dafür waren, über sozialdemokratische Positionen hinauszudenken. Ich bin dann 1971 im Bildungszentrum in Sprockhövel für die Bildungsarbeit der IG Metall eingestellt worden, wo wir mehr als zwanzig Pädagogen waren. Und die haben natürlich die ganze politische Bandbreite der Gewerkschaft abgedeckt.

    Huth: Ist diese Tradition beendet? Gibt es heute noch Anknüpfungspunkte? Gewerkschaftliche Bildungseinrichtungen sind ja ständig von Schließung und Mittelkürzungen bedroht.

    Schmitthenner: Die Bildungsarbeit war zeitweise stark entpolitisiert. Eine Zeitlang ging es kaum um den Interessengegensatz von Arbeit und Kapital, man hat sich eher gefragt, wie man die Leute mit gutem Essen in die Einrichtungen locken kann. Aber ich glaube, diese Phase ist überwunden, da haben die Krisen seit 2007 stark nachgeholfen. Heute geht es wieder mehr um Interessengegensätze. Die Situation hat sich ja auch allgemein verschärft.

    Huth: Martin, du bist seit Ende der 1970er Jahre friedenspolitisch aktiv und kommst aus der katholischen Theologie. In den 1980er Jahren haben die kirchlichen Friedensaktivitäten eine große Rolle gespielt. Die Frage der Befreiungstheologie ist heiß diskutiert worden, aber vor allen Dingen die Aufrüstung der NATO.

    Martin Singe: Meine Politisierung begann eigentlich in der Katholischen Studentengemeinde. Mein erster Ansatz war die Gerechtigkeitsarbeit, also Dritte-Welt-Arbeitsgruppen in den Studentengemeinden. Ergänzend kam dann die Friedensarbeit hinzu. Der Nachrüstungsbeschluss war der Auslöser. Dann gab es die großen Demonstrationen in Bonn im Hofgarten und beim Reagan-Besuch 1982. Diese Großdemonstrationen waren inspiriert von den Kirchentagen und der »Initiative Kirche von unten«. Da hat es viele Impulse gegeben, die dann in die Friedensbewegung weitergeleitet wurden. 1987 haben wir erreicht, dass der INF-Vertrag über den Abzug und die Vernichtung der Mittelstreckenraketen zwischen den USA und der UdSSR zustande kam, der ja leider wieder außer Kraft gesetzt wurde. Das waren die Ursprünge meiner politischen Sozialisation. Man muss das zusammen sehen, es gab ja damals auch eine sehr starke Anti-AKW-Bewegung. Es war allgemein ein Aufbruch für ökonomische und ökologische Alternativprojekte. Das ist alles mit eingeflossen in die Friedensbewegung der 1980er Jahre.

    Huth: Was ist aus diesen Kämpfen und Traditionen mit Blick auf die heutige Kirche geworden? Sind das noch Referenzpunkte?

    Singe: Es gibt nach wie vor kirchliche Basisbewegungen und Gemeinden, die sich zum Beispiel stark in der Flüchtlingsarbeit engagieren. Und es gab auch Langzeitwirkungen. In der katholischen Kirche hat sich die ethische Lehre zu Krieg und Frieden verändert, etwa in bezug auf die Atomwaffen. Bis vor kurzem gab es wie auch in der evangelischen Kirche quasi noch eine Duldung der Atomwaffen für eine Übergangsfrist. Unter Papst Franziskus wurde da eine klare Position formuliert. Franziskus kommt ja selbst aus der Tradition der Theologie der Befreiung, die für Gerechtigkeit und für sozialistische Perspektiven in der »dritten Welt«, vor allem in Lateinamerika, gekämpft hat und weiterhin kämpft. Diese Perspektive hat er auch zuletzt auf Lesbos stark gemacht, wo er die Schande der EU beim Namen genannt und gefordert hat, dass dieses Sterben im Mittelmeer aufhören und man die Ursachen erforschen muss, statt auf die Leute herunterzuschauen, die als Flüchtlinge zu uns kommen. Und die hängen mit dem kapitalistischen System und den Ausbeutungsverhältnissen zusammen.

    Huth: Sören, war es die Operation »Desert Storm«, der Krieg der USA gegen den Irak 1991, der dich politisiert und dazu bewogen hat, der PDS beizutreten?

    Sören Pellmann: Ich komme aus einem sehr politischen Elternhaus, aber darüber hinaus hatte ich – damals noch als Schüler – tatsächlich im Rahmen des Zweiten Golfkrieges die ersten politischen Kontakte mit der Antikriegsbewegung, die in meiner Heimatstadt in Leipzig sehr groß und auch in der Bevölkerung verankert war. Ich wäre damals schon in die PDS eingetreten, musste mich aber noch eineinhalb Jahre gedulden, bis ich nach Satzung das entsprechende Mindestalter hatte. Ich bin dann mit der festen Überzeugung beigetreten, dass die PDS für mich die einzige Partei mit einer deutlichen Antikriegshaltung ist.

    Huth: Ich kann mich an eine Zeit erinnern, in der die PDS beachtliche Wahlerfolge eingefahren hat. Ein zentraler Slogan war: »Veränderung beginnt mit Opposition.« Inzwischen hört man davon wenig. Vielmehr gibt es in der Partei Die Linke das Bestreben, endlich regierungsfähig zu werden, und das heißt, programmatische Grundsätze preiszugeben. In der Diskussion zum Wahlprogramm vor der Bundestagswahl ging es auch um Fragen der Äquidistanz in der Außenpolitik: Schuld an militärischen Eskalationen seien ja irgendwie alle, hieß es da, in Syrien, in der Ukraine. Eine Position, die etwa von Katja Kipping vertreten wird. Sie sagt, wir lassen uns mit keiner Seite ein. Wulf Gallert hat jüngst im ND gefordert, dass die Partei ihre Positionen in der Außenpolitik völlig neu aufstellen müsse, Maßstab seien die Menschenrechte. Hat dich das überrascht?

    Pellmann: Nein. Das ist Teil eines längeren Prozesses. Von führenden Genossinnen und Genossen wird Druck zur Veränderung unserer Programmatik ausgeübt. Aber auch von außen. Da heißt es dann, um der Regierungsfähigkeit willen müsst ihr eure außenpolitischen Positionen überdenken bzw. aufgeben. Zur Bundestagswahl 2013 gab es noch eine sehr klare Antikriegshaltung, 2017 auch noch, allerdings schon mit ersten Überlegungen, dem einen oder anderen Auslandsmandat vielleicht doch zuzustimmen. Das halte ich für sehr problematisch. Das Aufweichen der Antikriegshaltung hat dazu geführt, dass wir in den letzten zwölf Jahren unsere Wählerstimmen mehr als halbiert haben. Die Verluste, da bin ich mir sicher, sind auch darauf zurückzuführen, dass wir in außenpolitischen Fragen als nicht mehr berechenbar, nicht mehr als die einzige Antikriegskraft wahrgenommen wurden. Wir haben ein Parteiprogramm, das in diesen Fragen sehr klar ist. Diejenigen, die jetzt Kritik an diesen Positionen üben, sollten sich daran erinnern, dass das geltende Programm noch immer das auf dem Parteitag in Erfurt beschlossene ist. Kürzlich ist Christa Luft aus der Partei ausgetreten. Das, was sie zur Begründung ihres Austritts geschrieben hat, nehme ich sehr ernst. Es geht darum, dass die Axt an die Grundwerte unserer Partei gelegt werden soll. Sollte sich diese Haltung durchsetzen und zur Mehrheitsmeinung werden, dann hätten wir eine andere Partei. Ob das dann von den Wählerinnen und Wählern noch gutgeheißen wird, möchte ich bezweifeln.

    Huth: Auf der Fraktionsklausur Ende Oktober zirkulierte ein Papier, in dem es unter anderem auch um die Friedensarbeit ging. Darin wurde die Qualität der Ausrüstung der Bundeswehr beklagt, wesentliche Fragen zur aktuellen Lage, zu Russland und China tauchten hingegen gar nicht auf, ebensowenig die NATO. Friedenspolitik schrumpfte da zusammen auf die Frage der Rüstungsexporte. Gab es dagegen gar keinen Widerspruch?

    Pellmann: Sicher, darüber wurde diskutiert. Das Papier war ein Anstoß. Nach meiner Information haben die beiden Fraktionsvorsitzenden vor allem das, was innerhalb der Partei völlig unstrittig ist, in dieses Papier aufgenommen. Für mich ist in der Frage von Krieg und Frieden handlungsleitend, was in unserem Wahlprogramm beschlossen wurde, aber vor allem, was im Erfurter Programm formuliert ist.

    Huth: Dieses Programm enthält ein kategorisches Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Im vergangenen Sommer gab es die Debatte um die Evakuierung von »Ortskräften« in Afghanistan, das war, wenn man so will, ein unmandatierter Bundeswehr-Einsatz, der möglicherweise auch ein Kampfeinsatz hätte sein können. Das Abstimmungsverhalten der Linksfraktion hat viele irritiert, weil sie es als einen Bruch mit der Programmatik wahrgenommen haben. Die Empfehlung lautete Enthaltung. Einige haben mit Ja gestimmt, einige wenige mit Nein, die Mehrheit hat sich enthalten.

    Pellmann: Ich persönlich hätte mir gewünscht, dass jeder Abgeordnete ohne Fraktionsempfehlung frei hätte abstimmen können. Das hat eine knappe Mehrheit in der Fraktion aber abgelehnt. Nachdem eine nicht geringe Zahl der Fraktionsmitglieder angekündigt hatte, dem Einsatz zustimmen zu wollen, und eine ähnlich große, mit Nein zu stimmen, gab es diesen Kompromissvorschlag. Es blieb insgesamt nur wenig Zeit zur Diskussion. Ich habe dann versucht, mir einen eigenen Standpunkt zu bilden, und mit Nachdruck die Enthaltung verteidigt. In der öffentlichen Darstellung stand nicht die Frage im Mittelpunkt, ob es sich um einen militärischen Einsatz handelt, sondern vielmehr, wie Die Linke sich in der Angelegenheit verhält: Sollen Ortskräfte und andere Bedrohte aus Afghanistan ausgeflogen werden können? Ein geschlossenes Nein wäre so wahrgenommen worden, dass die Partei auch die Evakuierung ablehnt. Vor diesem Hintergrund hielt ich es für richtig, mich der Stimme zu enthalten. Drei Monate zuvor hatte die Fraktion von Die Linke, damals noch gleichlautend mit den Grünen, einen Antrag im deutschen Bundestag zu den Evakuierungsmaßnahmen gestellt, der natürlich keine Mehrheit erhielt. Man hätte daher in den Vordergrund stellen müssen, dass die damals noch regierende Koalition frühzeitig hätte evakuieren können, ganz ohne einen weiteren militärischen Einsatz. Das beschlossene Mandat aber bedeutete eine Freigabe für in Kampfmontur aufmarschierende Soldaten, die im Zweifelsfall die Menschen hätten freischießen sollen. Deshalb hätte ich auch ein Nein vertreten können, ein Ja aber auf gar keinen Fall. In der Gemengelage war es gut, sich zu enthalten. Nicht gut waren die Uneinheitlichkeit und auch die Tatsache, dass einzelne der Auffassung waren, bei diesem Einsatz mit Ja zu stimmen, um wem auch immer etwas zu beweisen.

    Huth: Wenn einer Partei der parlamentarische Betrieb am wichtigsten ist, gerät sie schnell in solche misslichen Situationen. Da werden dann humanitäre Aspekte vorgeschoben, um das programmatische Profil aufzuweichen.

    Hornung: Ich halte die Enthaltung der Linkspartei bei diesem Einsatz für fatal. Sie hätte verdeutlichen müssen, dass es bei diesem Einsatz gar nicht darum ging, die Ortskräfte zu retten. Die Zahl derer, die evakuiert werden sollten, lag unter einem Prozent der Ortskräfte in Afghanistan insgesamt. Die stehen übrigens jetzt an der Grenze zu Polen und werden nicht hineingelassen. Das zeigt, wie scheinheilig diese Nummer der Bundesregierung war. Ich halte es auch deshalb für fatal, weil der Afghanistan-Einsatz, der lange Zeit von der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt worden ist, mit dieser Abstimmung nachträglich legitimiert werden sollte. Jetzt heißt es, wir brauchen eine EU-Armee, wir müssen einsatzfähiger werden. Darum ging es. Die Linkspartei muss unbedingt zum Erfurter Programm zurückkehren und zu allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr unmissverständlich nein sagen. Sie sollte bei dem Spiel, die Verteidigung von Menschenrechten ins Feld zu führen, um Kriege zu rechtfertigen, gar nicht erst mitmachen. Wir wissen, wie gefährlich das ist. Wir wissen, welchen Weg die SPD 1914 gegangen ist, wir wissen, welche Entwicklung die Grünen genommen haben, die 1999 angeblich nur einmalig dem Krieg gegen Jugoslawien zustimmten, danach aber fast jedem weiteren Kriegseinsatz. Ich sage das deshalb, weil wir Die Linke in der Friedensbewegung als Kraft brauchen. Aber wenn im Parteivorstand diskutiert wird, ob man sich auf die Kritik der Rüstungsexporte beschränkt, wenn man sich hinter die NATO stellt, dann stellt man sich außerhalb der Friedensbewegung. Das können wir uns angesichts der Kriegsgefahr nicht leisten.

    Pellmann: Die Linke war die einzige politische Kraft im Deutschen Bundestag, die von Beginn an betont hat, dass der Afghanistan-Einsatz völkerrechtswidrig und falsch ist. Bei den ­jährlichen Mandatsverlängerungen hat die Fraktion von Die Linke als einzige immer konsequent und geschlossen mit Nein gestimmt. Gegen die Angriffe auf das Erfurter Programm sind wir gut beraten, die dortigen ­friedenspolitischen Positionen nicht zu ­schleifen, sondern sie deutlich zu stärken. Wenn der Preis dafür lautet, nicht mitregieren zu können, dann bin ich gerne bereit, ihn auch zu bezahlen.

    Huth: Wenn die Linke so weitermacht wie bisher, dann wird sie es nicht schaffen, erneut in den Bundestag einzuziehen. Auf der Straße ist sie kaum sichtbar. Zu Zeiten, als sie größere Erfolge einfuhr, war das anders. Da waren die Kämpfe im Parlament verbunden mit dem Kampf auf der Straße, mit Bewegungsnähe, von den Gewerkschaften bis hin zur Friedensbewegung. Der Kontakt zur Straße scheint abhanden gekommen.

    Pellmann: Ja, dieser Eindruck kann entstehen. Es gibt aber auch Lichtblicke. Ich schätze, mein persönlicher Erfolg bei der Eroberung des Direktmandats in Leipzig hat auch damit zu tun, dass ich mit der lokalen Friedensbewegung, mit Flüchtlingsinitiativen und Sozialvereinen in meinem Wahlkreis zusammenarbeite und mein Richtmaß das Erfurter Programm ist. Ich bin 2021 erneut angetreten, um meine Partei nicht dem Untergang geweiht zu sehen, um weiter für diese Partei zu kämpfen.

    Schmitthenner: Das setzt aber voraus, den Einfluss der Bundestagsfraktion auf die Politik der Partei zu schmälern oder, anders gesagt, die Basisstrukturen zu stärken. Die Partei muss der Fraktion sagen, wo es langzugehen hat und nicht umgekehrt.

    Pellmann: Ich bin mir nicht sicher, ob das ein Patentrezept ist. Einiges, was derzeit im Parteivorstand diskutiert wird, sollte besser nicht Leitlinie der Arbeit in der Fraktion werden. Ich fände es viel besser, wenn die Genossinnen und Genossen, die tagtäglich für unsere Partei arbeiten, an der Meinungsbildung und an Entscheidungen beteiligt würden. Dazu gehört auch die existentielle Frage von Krieg und Frieden.

    Huth: Wie wird die Linkspartei als Bündnispartner in der Friedensbewegung gesehen?

    Singe: Die Kontakte zu Partei und Fraktion waren für uns immer sehr wichtig, vor allem, weil wir Informationen erhalten haben und bei Anträgen, die Die Linke im Bundestag gestellt hat, mitwirken konnten, etwa bei Auslandseinsätzen oder der Aufrüstung der Bundeswehr. Ansonsten versteht sich die Friedensbewegung aber in erster Linie als eine außerparlamentarische Basisbewegung, die eben auf die Parteien im Parlament Druck ausüben will, dass sie ihre Kriegspolitik beenden. Ich möchte an die Kampagne gegen den Irak-Krieg 2003 erinnern. Drei Wochen lang gab es eine wirklich globale Friedensbewegung, zwischen zehn und dreizehn Millionen Menschen haben weltweit gegen diesen Krieg demonstriert, es wurde darüber diskutiert, ob dieser Krieg noch durchsetzbar war. Das muss die Aufgabe der Friedensbewegung sein: so stark zu werden, dass die Herrschenden sagen, dieser Krieg ist nicht mehr durchsetzbar. Gut, wenn es dann Parteien in den Parlamenten gibt, die mit uns kooperieren.

    Huth: Die Bedrohung im Weltmaßstab ist so groß wie selten in den letzten Jahrzehnten. Es gibt zugleich etliche Friedensinitiativen. Bei Verdi gibt es ein Friedensnetzwerk, die IG BAU hat eine Friedensresolution verabschiedet. Da ist also Bewegung, aber es gibt nichts Vergleichbares wie 2003, keine weltweite Bewegung.

    Schmitthenner: Dennoch sind die Potentiale dazu in der Gesellschaft vorhanden. 2003 wurde der zivile Ungehorsam viel breiter wahrgenommen. Diese Aktionen gilt es zu verstärken, gleichzeitig muss die Bewegung in der Breite verankert werden. Dazu braucht es Öffentlichkeitsarbeit. In den Schulen muss dieses Thema viel stärker behandelt werden. Da haben wir riesige Informationsdefizite.

    Hornung: Für die Friedensbewegung ist es sehr gut, wenn sie Kontakte in den Parlamenten hat, aber wir müssen Druck von außen aufbauen und dürfen uns nicht auf das Parlament verlassen. Mein Eindruck ist sehr wohl, dass die Friedensbewegung im Moment viel zu schwach ist, zu schwach angesichts der Kriegsgefahr, die wir gerade erleben. Es ist sehr wichtig, wenn Parteimitglieder wie du, Sören, in Leipzig in der Friedensbewegung verankert sind. Dieses Engagement brauchen wir. Aber wenn Wulf Gallert jetzt im ND fordert, die russische Außenpolitik genauso zu bewerten wie diejenige Deutschlands und der USA, dann haben wir ein Problem. Da dürfen wir nicht mitmachen. Wir müssen statt dessen klar sagen, wer der Aggressor ist.

    Pellmann: Die Antwort auf diese Frage ergibt sich schon beim Blick auf den jeweiligen Rüstungsetat, also wieviel die USA und die NATO investieren im Vergleich zu Russland und China. Da wird klar, die Aggression geht von der NATO und den Vereinigten Staaten aus.

  • 09.01.2022 19:30 Uhr

    Kopf oben halten!

    Die XXVII. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz widmete sich den Kräften der Vernunft in einer bedrohten Welt
    Arnold Schölzel
    1.jpg
    Musikalischer Auftakt mit der Band Skazka

    Erneut eine Rosa-Luxemburg-Konferenz nur als Stream im Internet, aber die spezifische Mischung bleibt: wissenschaftlich-politische Prosa – mal nüchtern, mal mitreißend – auf der einen Seite, auf der anderen künstlerische Berichte von Klassenkämpfen, von Widerstand, von Selbst- und Klassenbewusstsein, davon, wie man den Kopf in scheinbar überwältigenden Widrigkeiten oben behalten kann. Die Moderatoren des Tages, die Schauspielerin Esther Zimmering und der stellvertretende Verlagsleiter Sebastian Carlens, fügen beides zusammen: Da sind die Imperialismusanalysen von Dmitri Nowikow, dem stellvertretenden Vorsitzenden des ZK der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation, von Fiona Edwards, Aktivistin der Kampagne »No Cold War«, oder von der Soziologin Lucia Pradella aus London. Aus den USA bekräftigen Mumia Abu-Jamal und Mike Africa jr.: »Dieses System schreit nach Krieg.«

    2.jpg
    Kampf gegen staatliche Überwachung und Berufsverbote: Arnold Schölzel, Irmgard Cipa, Sebastian Carlens und Lore Nareyek

    Wer den will, muss Kritiker unterdrücken: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hält den jW-Leuten vor, marxistisch zu denken, das soll ein Gericht als verfassungsfeindlich fixieren. Eine Steigerung – eine Gesprächsrunde erinnert: Am 28. Januar vor 50 Jahren wurden in der BRD die Berufsverbote gegen Linke beschlossen und 1990 auf die DDR ausgedehnt.

    3.jpg
    Lucia Pradella referierte über den Zusammenhang von Kapitalakkumulation, Krieg und Ausbeutung

    Anderswo wird Unbotmäßigkeit bewaffnet niedergeschlagen. Juan Ramón Quintana aus Bolivien, Minister in den Regierungen von Evo Morales, erläutert, wie die USA in Lateinamerika regelmäßig den »Abbau von Bürgerrechten« betreiben. Vier Vertreter linker deutscher Jugendorganisationen diskutieren, was die neue Bundesregierung jungen Leuten zu bieten hat: außer Kriegskurs und Krisenverschleppung nichts.

    4.jpg
    Den Überblick behalten: Im Regieraum der jW-Ladengalerie

    Kein Krieg ohne Manipulation der öffentlichen Meinung. Rania Khalek, Journalistin in den USA und im Libanon, nennt es »Gleichschaltung der Medien«. Jeremy Corbyn, früherer Vorsitzender der britischen Labour-Party, verlangt: »Wir müssen in einer Welt des Friedens leben.« Und die müsse sozialistisch sein. Rosario del Pilar Pentón Díaz, Rektorin der Hochschule der Kommunistischen Partei Kubas (PCC), spricht über eine Gesellschaft, die nicht dem Profitprinzip folgt: erste Voraussetzung für Demokratie.

    5_hoch.jpg
    Dmitri Nowikow bot eine klare Analyse des gegenwärtigen Imperialismus

    Dazu gab es Musik – von »Skazka« mit Balkanbeats morgens, den »Grenzgängern« mit ihren »Liedern der Com­mune« und der »Internationale« zum Abschluss –, gab es virtuell bildende Kunst der Gruppe »Tendenzen«, Rolf Beckers Erinnerung an die im vergangenen Jahr verstorbene große Künstlerin und Antifaschistin Esther Bejarano, ein Gespräch, das Susann Witt-Stahl, Chefredakteurin der M & R, mit dem serbischen Regisseur Srdan Golubovic über seinen Film »Otac – Vater« (seit 2. Dezember 2021 im Kino) führte, und Theater: Peter Wittig, Chef des SiDat!, stellt Szenen aus »Hoelz trifft Bischofferode« nach Volker Brauns »Die hellen Haufen« vor.

    6_hoch.jpg
    Rolf Becker erinnerte an seine »kleine Schwester« Esther Bejarano

    Der Linke-Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann sieht auf dem Abschlusspodium in der Friedensfrage die »Axt an die Grundwerte« seiner Partei gelegt. Das Thema, darf vorhergesagt werden, wird leider bleiben.

    7.jpg
    Perspektiven des Widerstands: Tugba Bakirci (DIDF-Jugend), Marius Dornemann (SDAJ-Bundesvorstand), Sophia Autenrieth (SDAJ) und Lu Mayer (Linksjugend Solid Berlin) auf dem Jugendpodium

    23.000 Zuschauer werden im Lauf des Tages in den deutschsprachigen Kanälen des Streams gezählt, einige zehntausend dürften über die englisch- und spanischsprachigen dazukommen.
    Am 26. Januar erscheint die jW-Beilage mit Beiträgen zur Konferenz, Ende März die Broschüre mit deren Materialien.

    8.jpg
    Moderatorin Esther Zimmering führte souverän durch das Programm
  • 08.01.2022 11:00 Uhr

    Musikalischer Startschuss

    Annuschka Eckhardt
    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz102037.jpg
    Skazka sorgten für einen schwungvollen Einstieg vor dem jW-Studio in Berlin und zogen dann tanzend auf die Bühne

    Endlich: Die XXVII. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz beginnt! Geschäftiges Treiben in der umgestalteten Ladengalerie des Verlags 8. Mai. Großformatige Fotos von Antikriegsprotesten, passend zum diesjährigen Thema der Konferenz »Hände weg von Russland und China!«, bilden die Kulisse der zwei Bühnen im Studio. Natürlich dürfen Plakate von Rosa und Karl nicht fehlen.

    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz105802.jpg
    Esther Zimmering und Sebastian Carlens begrüßen die Gäste im Livestream der #RLK22

    Der Regieraum ist das Cockpit der heutigen Veranstaltung, die aus pandemiebedingten Gründen nur online im Stream auf der Startseite der jungen Welt verfolgt werden kann. Die Personen, die vor den riesigen Bildschirmen und Mischpulten sitzen, machen es möglich, dass Menschen aus der ganzen Welt heute live mit dabei sein können.

    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz103423.jpg
    Dietmar Koschmieder, Geschäftsführer des Verlags 8. Mai, eröffnet die virtuelle Kunstausstellung, zu sehen hier: https://www.jungewelt.de/rlk/de/node/171.Kunstausstellung.html

    Bei blauem Himmel auf der Terrasse vor der Verlagsgebäude beginnt die Band »Skazka« bei der gusseisernen Statur von Rosa Luxemburg zu spielen. Mit Trompete, Posaune, Gitarre und Kontrabass tanzt die Band euphorisch von draußen auf die Bühne. Die schneller werdenden Ska-Balkanbeats-Rythmen heizen auch dem Team ein. Artur, der Gitarrist und Sänger der Band ist am Mikrophon angekommen und singt, passend zum Motto der heutigen Konferenz, auf russisch.

    DSCF7234 Kopie.jpg
    Das Skazka-Orchester auf der Bühne

    Zum Livestream: https://www.jungewelt.de/

    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz105239.jpg
    Ein Gruß von Esther: Peace!
  • 08.01.2022 11:38 Uhr

    Dmitri Nowikow: »Die Pandemie bildet die Kulisse dramatischer Ereignisse«

    Michael Merz
    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz110400.jpg
    Dmitri Nowikow, Vizevorsitzender der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF) und stellvertretender Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses der Staatsduma, hält das Eröffnungsreferat der #RLK22 in der jW-Ladengalerie

    In seiner Funktion als Vizevorsitzender des außenpolitischen Ausschusses der Staatsduma war Dmitri Nowikow, seit 2013 einer von gegenwärtig fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation (KPRF), in dieser Woche begehrter Interviewpartner insbesondere für russische Medien. Zum Konflikt in Kasachstan warnte er, dass der Westen die Situation ausnutzen könnte, um nach erprobtem Muster – beispielsweise wie in der Ukraine – vorzugehen.

    Am Freitag abend war Dmitri Nowikow in Berlin gelandet und hielt nun am Samstag vormittag das Eröffnungsreferat der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz im Studio der jW-Ladengalerie. Zunächst erinnerte er an die mahnenden Worte des UN-Generalsekretärs António Guterres, der jüngst die großen aktuellen Probleme der Menschheit – Pandemie, Klimawandel und wachsende Ungleichheit – skizziert hatte. »Die Pandemie bildet die Kulisse dramatischer Ereignisse«, sagte Nowikow. »Um China herum bildet sich ein Konfliktbogen, in der Ukraine fließt Blut, in Äthiopien herrscht Krieg.« Und die USA versuchten, erinnerte Nowikow an den kürzlich veranstalteten sogenannten Demokratiegipfel in Washington, »mit Staaten wie Tonga, den Philippinen und Kolumbien die Welt zu retten«. Die Schlagworte Demokratie und Menschenrechte seien zu bloßen politischen Instrumenten geworden.

    Die Reichen vermehrten auch während der Pandemie immer weiter ihren Reichtum, während die Armen immer ärmer werden. Die Zahl der chronisch Hungernden stiege unaufhörlich. »Ein großer Teil der herrschenden Klasse lebt vom Geldeintreiben, die Finanzhegemonie geht auf Kosten der Armen«, so Nowikow. Es gebe eine neue Etappe in der Entwicklung des Imperialismus. »Transnationale Konzerne greifen in die Souveränität vom Staaten ein«, erklärte Nowikow. Das Kapital in einzelnen Staaten mache sich von ihnen abhängig. Die Globalisierung habe die Welt weder sicherer noch gleicher gemacht.

    Zum Livestream: https://www.jungewelt.de/

  • 20.10.2022 10:39 Uhr

    Kein Kalter Krieg gegen China!

    Annuschka Eckhardt
    DSCF7561 Kopie.jpg
    Fiona Edwards, zugeschaltet auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin

    Die zunehmend aggressiven Erklärungen und Maßnahmen der US-Regierung gegenüber China betrachtet Fiona Edwards mit großer Sorge. Sie ist Mitglied im internationalen Organisationskomitee der Kampagne »No Cold war« und sprach – online zugeschaltet – auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin. Die Aggressionen stellten eine Bedrohung für den Frieden dar und würden die Menschen bei der erfolgreichen Bewältigung äußerst ernster gemeinsamer Probleme – wie die Kontrolle von Pandemien oder eine Eindämmung des Klimawandels – behindern. In China erfreute sich die Kampagne der Initiative »No Cold war« großer Beliebtheit und akquirierte in sozialen Netzwerken über 100 Millionen Likes.

    Zum Livestream: https://www.jungewelt.de/

  • 08.01.2022 13:00 Uhr

    Lucia Pradella: »Solidarität für die Einheit der Arbeiterklasse«

    Simon Zeise
    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz115915 Kopie.jpg
    Lucia Pradella auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin

    Lucia Pradella referierte am Samstag auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz über die Beziehung zwischen Imperialismus und Arbeitsausbeutung. Sie hob hervor, dass trotz des Gesundheitsnotstands in der Coronapandemie die USA, Großbritannien und die EU ihre Militärausgaben weiter erhöht haben. Der sogenannte Krieg gegen den Terror habe mittlerweile weltweit fast 60 Millionen Menschen vertrieben. Die EU-Agentur für die Grenz- und Küstenwache, Frontex, überwache mit Drohnen das Mittelmeer.

    Die Kapitalakkumulation bringe weltweit einen Überschuss von Arbeitskräften in Form einer Reservearmee hervor. Diese übe Druck auf die Beschäftigten aus und ermögliche dem Kapital eine höhere Ausbeutungsrate sowohl auf nationaler als auch globaler Ebene. Der NATO-Angriff auf Libyen 2011 habe ein Zwangssystem etabliert: Einwanderer aus Afrika würden in der EU gezwungen, unter unmenschlichen Bedingungen zu arbeiten. Die NATO-Intervention habe u.a. darauf abgezielt, Libyens Ressourcen – vor allem den Ölreichtum des Landes – anzueignen und Chinas Einfluss in Nordafrika zu begrenzen. Die fortschreitende Militarisierung des Mittelmeers durch die EU ziele nicht darauf ab, Migranten an der Einreise zu hindern, sondern auf die verschärfte Ausbeutung der Migranten als Arbeitskräfte.

    Pradella warnte vor den Fehlern der großen etablierten Gewerkschaften: Migranten als Konkurrenz für die »nationale« Arbeiterklasse zu betrachten, schwäche die Kampfkraft der Arbeiterbewegung. Und sie stellte klar: »Die einzige Möglichkeit, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, ist es, die Einheit der Arbeiterklasse auf Basis von Antirassismus und Antiimperialismus zu entwickeln. Nur durch Solidarität können wir diesen Kampf gewinnen.«

    Zum Livestream: https://www.jungewelt.de/

    jW-Thema (Ausgabe 7. Januar) von Lucia Pradella und Rossana Cillo »Der Reservearmeemechanismus«

  • 20.10.2022 10:39 Uhr

    Impressionen von der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2022 (Teil 1)

    Im Regieraum der #RLK22 (Berlin, 8. Januar 2022)
    Monitore statt Publikum, zum zweiten Mal in Folge muss die Konferenz online stattfinden (Berlin, 8. Januar 2022)
    Das Skazka-Orchester bestritt fulminant die Eröffnung der #RLK22, hier vor dem Auftritt (Berlin, 8. Januar 2022)
    Ohne Absprache geht nichts: Sebastian Carlens und Esther Zimmering moderieren die #RLK22 (Berlin, 8. Januar 2022)
    Immer dabei: Eine Printausgabe der jungen Welt (Berlin, 8. Januar 2022)

    Pandemiebedingt muss die XXVII. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin erneut im Livestream stattfinden. Die jW-Ladengalerie wurde hierfür zum Studio mit zwei Bühnen umgestaltet. Ein Blick hinter die Kulissen.

    Zum Livestream: https://www.jungewelt.de/

  • 08.01.2022 14:15 Uhr

    Rolf Becker erinnert an Esther Bejarano, Grenzgänger spielen »Lieder der Commune«

    Michael Saager
    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz123236.jpg
    Rolf Becker auf der #RLK22

    Auftritt Rolf Becker auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am Samstag in Berlin. Der bekannte Schauspieler schrieb die jW-Laudatio auf Esther Bejarano, die Überlebende des KZ Auschwitz-Birkenau, die aktive Antifaschistin und Vorsitzende des Auschwitz-Komitees Deutschland. Becker lässt seine Hände sprechen, zitiert aus Esthers Reden, aus Gesprächen, interpretiert, erinnert, mahnt. Daran, wie Bejarano erzählte, dass es plötzlich, nach dem Krieg, keine Nazis mehr gegeben habe, was natürlich nicht stimmte. Dass die Überlebenden Ausschwitz nie verlassen habe. Bejarano spricht durch Becker über das große Schweigen in Deutschland. Sie mahnt, dass gestritten werden müsse, für eine andere, bessere Gesellschaft. Becker nennt Bejarano »seine große Schwester«, ein trauriger Liebender ist er. Er erinnert sich an ihren liebevollen Blick, ihre wachen Augen. Daran, dass sie immer wieder betonte, dass wir unsere Aussagen nur glaubhaft machen könnten, wenn wir uns aktiv beteiligten an Streiks, gegen Rassismus, bei Flüchtlingsfragen, beim Boykott gegen Kriegsvorbereitungen gegen Russland und China. Und besonders am Herzen liegt ihr freilich, zu betonen: Dass die Kritik an der Palästinenser diskriminierenden israelischen Politik keinesfalls antisemitisch ist.

    Der Schritt zum nächsten Programmpunkt, zu den Grenzgängern, ist da nur ein kleiner Hüpfer. Auch ihnen geht es ums Wachsein, um Kritik an den herrschenden Verhältnissen, den aufrechten Gang. Sänger, Gründer und Gitarrist Michael Zachcial erklärt, weshalb sie zuletzt »Die Lieder der Commune« auf zwei CDs eingespielt haben: Kaum jemand erinnere sich, Schulstoff sei die revolutionäre Pariser Gemeindevertretung von 1871, die nur zehn Wochen im Amt war, bevor die französische Regierung sie brutal zerschlagen ließ, ja nie gewesen. Und dann bringt das Trio melancholischen, nein, verhalten optimistischen Schwung mit Gitarre, Cello, Akkordeon in den Tag, mit ins Deutsche übertragenen Stücken, die damals gesungen worden waren: Genug von der Misere, macht Lärm in den Kasernen, keine Lust auf Krümel mehr, genug von den Qualen der Armut. Die Stücke machen Mut, künden von Aufbruch und Umsturz. Heute noch. Esther Bejarano sagte einmal: Bleibt mutig. In diesem Sinne.

    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz130026.jpg
    Keine Lust auf Krümel mehr: Die Grenzgänger auf der #RLK22

    Zum Livestream: https://www.jungewelt.de/

  • 20.10.2022 10:39 Uhr

    NATO-Kriegsvorbereitung unter Ausschluss der Öffentlichkeit

    Annuschka Eckhardt
    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz140703.jpg

    Die unvorstellbare Summe von 1.100 Milliarden US-Dollar gibt das Kriegsbündnis NATO für Rüstung aus. Die sogenannte Münchner Sicherheitskonferenz ist ein Treffen für den exklusiven Kreis aus Rüstungslobbyisten, Militär- und Wirtschaftsvertretern und Politikerinnen und Politikern. Gemeinsam planen sie Kriegsgerät, abgeschirmt von Öffentlichkeit und Medien, deren Vertreter nur auf Einladung der Veranstalter physisch erscheinen dürfen und entsprechend handverlesen sind.

    Franz Haslbeck ist aktiv im »Anti-SiKo-Bündnis« und organisiert die Proteste gegen die diesjährige »Münchner Sicherheitskonferenz« mit, die vom 18. bis 20. Februar 2022 stattfindet. »Frieden in Europa und auf der Welt kann es nur mit und nicht gegen Russland geben«, erklärte Haslbeck am Samstag auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin. Die Anti-SiKo-Demo wird am 19. Februar um 13 Uhr am Stachus in der bayerischen Landeshauptstadt stattfinden unter dem Motto: »Stoppt den Kriegskurs der NATO-Staaten«.

    Zum Livestream: https://www.jungewelt.de/

  • 20.10.2022 10:39 Uhr

    Der repressive Spitzelstaat

    Daniel Bratanovic
    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz135406.jpg
    Zu Attacken des bundesdeutschen Staates auf Andersdenkende: Arnold Schölzel, Irmgard Cipa, Moderator Sebastian Carlens und Lore Nareyek (v.l.n.r.) auf der #RLK22

    Der Staat des Kapitals bespitzelt seine Kritiker, prangert sie an, macht ihnen das Leben schwer, und schlägt je nach Lage und Opportunitätserwägung zu: Repression, Verbote und gesellschaftlicher Ausschluss sind die Mittel der Wahl. Das gilt in diesem Land für Vergangenheit wie Gegenwart. 50 Jahre »Radikalenerlass« und der Prozess der jungen Welt gegen den Verfassungsschutz wurden auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin eingehend beleuchtet.

    Das Bundesamt für Verfassungsschutz führt die Tageszeitung junge Welt seit langer Zeit Jahr für Jahr in seinen Berichten als das wichtigste »Printmedium im Linksextremismus«. Dagegen ist der Herausgeber der Zeitung, der Verlag 8. Mai, nun gerichtlich vorgegangen. Das angerufene Gericht wollte von der Bundesregierung nun wissen, warum die junge Welt als verfassungsfeindlich einzustufen sei. Deren Begründung lässt, wie Dietmar Koschmieder, Geschäftsführer des Verlags, auf der Konferenz erläuterte, tief blicken: Der zentrale Vorwurf laute, die Zeitung sei marxistisch orientiert. Marxismus gilt dem Inlandsgeheimdienst demnach als per se verfassungsfeindlich, Begriffe wie Klassenkampf seien Hinweise auf ein falsches Denken. Mehr noch: Bereits marxistisches Denken an sich sei verfassungsfeindlich. »Das ist eine neue Qualität«, sagte Koschmieder. Ferner gelten die strenge antifaschistische Ausrichtung, die angebliche Glorifizierung sozialistischer Länder und die unterstellte Unterstützung terroristischer Organisationen den »Verfassungsschützern« als verdächtig. Kurios kommt allerdings der Vorwurf daher, die junge Welt betreibe einen revolutionären Aktivismus. Der Beweis: sie unterhalte ein »Aktionsbüro«. Koschmieder betonte, dass die Angriffe auf die junge Welt ein Angriff auf die gesamte Linke dieses Landes sei: »Es geht darum, generell kritische Stimmen mundtot zu machen.« Deshalb müsse dieser Angriff auch von der gesamten Linken zurückgeschlagen werden.

    Dass die Attacken des bundesdeutschen Staates auf Andersdenkende keineswegs eine Angelegenheit nur der Gegenwart ist, wussten in der Folge drei Konferenzteilnehmer zu berichten. Vor 50 Jahren erließ die sozial-liberale Bundesregierung unter Willy Brandt den sogenannten Radikalenerlass, der sich gegen etliche tausend Menschen richtete, die auf dem Sprung in den Staatsdienst standen. Der Erlass schuf ein Klima des Misstrauens und der Denunziation, zerstörte Tausende Karrieren und richtete sich zu 95 Prozent gegen links. Irmgard Cipa vom Bundesarbeitsausschuss »Initiative 50 Jahre Radikalenerlass« erinnerte zwar daran, dass der Protest gegen die staatliche Repression erfolgreich war, so dass die Verfolgungspraxis in den 1980er Jahre nicht mehr angewandt wurde, allerdings sei der Erlass nie aufgehoben worden. Und das wirke bis heute nach. »Die Betroffenen werden vom Verfassungsschutz weiter bespitzelt. Das dient der Einschüchterung. Und die Maßnahmen können jederzeit wieder scharf gestellt werden.«

    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz132536.jpg
    »Es geht darum, generell kritische Stimmen mundtot zu machen«: Dietmar Koschmieder, Geschäftsführer des Verlags 8. Mai (r.)

    Lore Nareyek von der Arbeitsgruppe Berufsverbote in der GEW Berlin wiederum schilderte das spezifische Klima in der Frontstadt West-Berlin während des Kalten Kriegs. Eine Notgemeinschaft für eine Freie Universität, zusammengesetzt vor allem aus antikommunistischen Professoren, fertigte Listen mit verdächtigen Kollegen und Studenten an, die sie in einer Auflage von 11.000 Exemplaren an alle politischen Instanzen, Behörden des Öffentlichen Dienstes, an Wirtschaftsverbände und die Presse verschickt hat, eine weitere Organisation forderte Schüler per Flugblatt zur Denunziation linker Lehrer auf. »Das war ein extremer Antikommunismus in der Frontstadt«, erklärte die Gewerkschafterin Nareyek.

    Einen anderen Fall von Berufsverboten – und zwar massenhaft – benannte Arnold Schölzel, Vorsitzender des Rotfuchs-Fördervereins. »In Bonn und in den Vorstandsetagen etwa bei Allianz ging nach 1989/90 ein Gespenst um: das des selbstbewussten DDR-Bürgers, der den Sozialismus erlebt hatte.« Deshalb habe der westdeutsche mit der Übernahme der DDR radikal aufgeräumt, was sich am deutlichsten im Wissenschaftsbetrieb ablesen lasse. 1992 gab die Bundesregierung an, dass von den rund 200.000 Beschäftigten an den Hochschulen der DDR nur noch zwölf Prozent in einem Vollzeitverhältnis übriggeblieben waren. »Alle anderen hat man rausgeworfen. Es ging um die Zerstörung gesellschaftlicher Netzwerke«, so Schölzel.

    Zum Livestream: jungewelt.de

  • 20.10.2022 10:40 Uhr

    »Ein System, das nach Krieg schreit«: Botschaften von Mike Africa Jr. und Mumia Abu-Jamal

    Ina Sembdner
    DSCF7747.JPG
    Mike Africa Jr. berichtet über den Kampf gegen das rassistische Polizeisystem in den USA

    Live zugeschaltet auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am Samstag in Berlin ist Mike Africa Jr. Der Aktivist, der selbst 1978 in einem Gefängnis in Philadelphia geboren wurde, berichtet zur Lage der politischen Gefangenen in den USA. Er spricht von der schwierigen sozialen Lage insbesondere der afroamerikanischen Bevölkerung, die von der Polizei schikaniert, willkürlich verhaftet und ins Gefängnis gesteckt wird – massenhaft, wie Africa Jr. betont. Er kämpft mit seinen Genossen gegen dieses ungerechte System, auch die Gefangenen selbst organisieren Widerstand dagegen. Die politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal und Leonard Peltier versuchten Öffentlichkeit zu schaffen, indem sie beispielsweise Briefe nach draußen schrieben. Abu-Jamal spreche über jedes Thema, das mit Ungerechtigkeit in Zusammenhang stehe, er habe immer für Fortschritt gekämpft und sei deshalb im Fokus der Repression.

    Im Anschluss berichtet Mumia Abu-Jamal in seiner Grußbotschaft von den zahlreichen Umweltkatastrophen, die Menschen weltweit bedrohen – von Überschwemmungen bis zu Feuerstürmen. Es werde darüber gesprochen, als sei es normal – »aber das ist es nicht«, so Abu-Jamal. Denn die Ursache sei der Eingriff des Menschen in die Umwelt, um die Profite der Konzerne zu steigern. Unter Bezugnahme auf den Philosophen Herbert Marcuse betont Abu-Jamal die Notwendigkeit, die Natur zu befreien, um letztlich die Menschheit befreien zu können. Kapitalismus jedoch führe zu einem ökologischen Desaster. »Es ist Gier, die kein Ende kennt. Es ist ein widerlicher Hunger auf immer größer werdende Profite. Es ist ein System, das nach Krieg schreit.«

    Es sei die Zeit für soziale Bewegungen und Sozialisten, fundamentale Fragen aufzuwerfen, die die destruktive Natur des Kapitalismus betreffen. »Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist notwendig«, so die Botschaft des in den USA seit mehr als 40 Jahren inhaftierten Journalisten Mumia Abu-Jamal. »Thank you und Auf Wiedersehen.«

    Zum Livestream: https://www.jungewelt.de/

    »Er hat noch immer die Hoffnung, freizukommen« Interview mit Mike Africa Jr. in der jW-Ausgabe vom 11. Dezember 2021

  • 20.10.2022 10:40 Uhr

    Impressionen von der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2022 (Teil 2)

    Aufgrund der Corona-Pandemie kann die Konferenz wiederholt nur online stattfinden: Vor dem Verlagsgebäude (Berlin. 8. Januar 2022)
    Im Regieraum der #RLK22 (Berlin. 8. Januar 2022)
    Ingo Höhmann nimmt Bestellungen entgegen (Berlin. 8. Januar 2022)
    Den richtigen Ton finden auf der #RLK22 (Berlin. 8. Januar 2022)
    Arnold Schölzel vor seinem Auftritt (Berlin. 8. Januar 2022)

    Damit der Livestream der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in alle Welt gesendet werden kann, ist hinter den Kulissen jede Menge los: Da wird im Regieraum an Reglern geschraubt, da werden Abos für die junge Welt generiert und da wird die Trompete geblasen – und über allem wacht Rosa.

    Zum Livestream: https://www.jungewelt.de/

  • 20.10.2022 10:40 Uhr

    Juan Ramón Quintana: »Der Unterdrückung waren keine Grenzen gesetzt«

    Frederic Schnatterer
    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz144355.jpg
    Esther Zimmering im Gespräch mit Juan Ramón Quintana, Minister der Präsidentschaft in den drei Regierungen unter Evo Morales in Bolivien

    Lateinamerika, von den USA noch immer als der eigene Hinterhof betrachtet, blickt auf eine lange und schmerzhafte Geschichte von Staatsstreichen zurück. Um nur die jüngsten Beispiele zu nennen: 2002 gegen Hugo Chávez in Venezuela, 2009 gegen Manuel Zelaya in Honduras, 2012 gegen Fernando Lugo in Paraguay, 2016 gegen Dilma Rousseff in Brasilien. 2019 kam mit dem Putsch gegen Evo Morales ein weiteres Kapitel hinzu. Am Sonnabend beleuchtete Juan Ramón Quintana, Minister der Präsidentschaft in den drei Regierungen unter Morales, auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin dieses Beispiel des »Abbaus von Rechten im bürgerlichen Staat«.

    In seinem Vortrag wies der studierte Soziologe und Politikwissenschaftler zunächst darauf hin, dass der Putsch gegen Morales und die Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) von langer Hand geplant gewesen sei und als »Teil der Hegemoniekrise des globalen Kapitalismus« verstanden werden könne. Morales, der in Folge großer sozialer Mobilisierungen 2006 ins Präsidentenamt gewählt worden war, verweigerte sich einer Unterordnung unter das neoliberale Dogma – eine »180-Grad-Wendung« in der bolivianischen Politik, so Quintana. Mit Hilfe einer neuen Verfassung schaffte es Bolivien, eine »Agenda der nationalen Souveränität« durchzusetzen, die sich durch die Nationalisierung der Rohstoffe, eine Industrialisierung, ein Ende der rassistischen Diskriminierung der indigenen Bevölkerungsteile sowie ein Projekt der radikalen Demokratisierung der Politik auszeichnete.

    Vom ersten Tag der Regierungsperiode der MAS an habe die bolivianische Oligarchie Hand in Hand mit Washington eine »große imperiale Offensive« in Gang gesetzt. Der Staatsstreich 2019 unter dem Vorwand einer angeblichen Fälschung der Präsidentenwahl stellte nur das letzte Mittel des US-Interventionismus dar. Morales wurde aus dem Amt und dem Land gejagt, eine Putschregierung installiert. Wie Quintana darlegt, war diese durch drei Merkmale charakterisiert: Erstens handelte sie im Interesse Anderer, beispielsweise Washingtons und der Oligarchie; zweitens plünderte sie den bolivianischen Staat schamlos aus; und drittens basierte ihre Macht auf der Ausübung schierer Gewalt durch Polizei und Militär. »Der Unterdrückung war keine Grenze gesetzt«, so Quintana.

    Hervorzuheben sei zudem die Rolle der Medien, so der bolivianische Exminister. Diese hätten sich – sowohl national als auch international – dadurch ausgezeichnet, dass sie die brutale Realität aktiv verschleierten und Falschmeldungen in die Welt setzten. Hinzu komme: Die Medien seien aktiv daran beteiligt gewesen, Hass in der Bevölkerung zu generieren, ganz im Sinne des rassistischen Charakters des Putsches. Die großen internationalen Medien wiederum – sowohl in den USA als auch in Europa – machten sich zu Komplizen des Staatsstreichs, indem sie diesen durch Falschmeldungen legitimierten.

    Zum Livestream: https://www.jungewelt.de/

  • 20.10.2022 10:40 Uhr

    SDAJ-Jugendpodium: Widerstand gegen Kriegskurs der Bundesregierung

    David Maiwald
    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz152457.jpg
    »Neue Bundesregierung, neue Angriffe«: Tuğba Bakırcı (Bundesvorstand der DIDF-Jugend), Marius Dornemann (SDAJ-Bundesvorstand), Moderatorin Sophia Autenrieth (SDAJ) und Lu Mayer (Landessprecherinnenrat Linksjugend Solid Berlin) (v.l.n.r.) diskutieren auf dem Jugendpodium

    Auf dem Jugendpodium der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin ging es um einen Ausblick auf die Politik der neuen Bundesregierung.

    Tuğba Bakırcı vom Bundesvorstand der DIDF-Jugend stellte fest, die neue Bundesregierung zeige bereits kurz nach der Wahl mit geplanten Investitionen in Atomkraft den ersten deutlichen Rückschritt an. Geplante Aufrüstung, beispielsweise mit bewaffneten Kampfdrohnen für die Bundeswehr, stellten für die Jugend keinen Fortschritt dar. Investitionen in Bildung dienten künftig der Konzipierung von Eliteschulen, die der Mehrheit der Jugend nicht zur Verfügung stünden. Die Abschaffung des Paragraphen 219a und eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre seien durch die sozialen Bewegungen, besonders getragen durch die Jugend, in die Agenda der Ampel gelangt, nicht weil die an der Regierung beteiligten Parteien dies wichtig finden.

    Lu Mayer, Mitglied im Landessprecherinnenrat von Linksjugend Solid Berlin sagte, die jugendliche Ökologiebewegung stehe an einem Scheideweg, sich für bürgerliche Positionen oder für die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter zu entscheiden. Gruppen, die Forderungen nach Enteignung von großen Stromkonzernen wie RWE aufstellten, müssten unterstützt werden, um sie innerhalb von Fridays For Future stark zu machen. Auf Berliner Landesebene habe sich in Fragen des Volksentscheids rund um die Kampagne »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« eine katastrophale Ausrichtung offenbart. Es werde klar, dass die Forderung der Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner »in der Schublade verschwinden soll«. Es sei wichtig, sich in Schulen und Betrieben zu organisieren, völlig egal, welche Regierung das Kapital der BRD verwalte.

    Marius Dornemann aus dem SDAJ-Bundesvorstand betonte, Forderungen der Bundesregierung seien immer Forderungen des deutschen Imperialismus. Es zeige sich bereits in den ersten Wochen, dass die neue Bundesregierung die Aufrüstung und Mobilmachung der NATO gen Osten fokussiere. Die Diskussion um Nord Stream 2 zeige, dass weiter auf die Konfrontation mit Russland gesetzt werde. »System change not climate change« könne nur gemeinsam mit den Arbeiterinnen und Arbeitern, zum Beispiel auch aus der Kohleindustrie, durchgesetzt werden.

    Moderatorin Sophia Autenrieth (SDAJ) schloss mit dem Aufruf, sich gemeinsam an der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration am Sonntag – Start ist um 10 Uhr am U-Bahnhof Frankfurter Tor in Berlin – zu beteiligen.

    Livestream zur RLK unter www.jungewelt.de

  • 20.10.2022 10:41 Uhr

    Srdan Golubovic: »Kein Happy End – aber Hoffnung«

    Matthias István Köhler
    D22D0108RosaLuxemburgKonferenz162954.jpg
    Aus Belgrad zur XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz zugeschaltet: Srdan Golubovic

    Die Chefredakteurin der Melodie & Rhythmus, Susann Witt-Stahl, spricht auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin mit dem preisgekrönten serbischen Regisseur Srdan Golubovic aus Belgrad unter anderem über das gegenwärtige gesellschaftliche Klima in den sogenannten postjugoslawischen Staaten. Und natürlich geht es auch um sein künstlerisches Schaffen – insbesondere seinen zurzeit laufenden Film »Otac«. Es sei ein Film, der laut Witt-Stahl so realistisch ist, dass »man es kaum aushalten kann«. Inspiriert zu der Geschichte des Vaters, der sich auf den Weg macht, Gerechtigkeit zu fordern, hätten ihn der »wilde Kapitalismus« heute, die unglaublichen Gehaltsunterschiede, die »korrumpierte Gesellschaft«. Selbstverständlich hätten auch die Traumata der Kriege einen Einfluss auf die heutigen Verhältnisse. Die »Schwarze Welle« des jugoslawischen Films in den 60er und 70er Jahren biete da auch ästhetisch einen Anknüpfungspunkt, weil sie durch ein »starkes soziales Engagement« gekennzeichnet gewesen seien – was das Konzept auch heute noch lebendig mache. Bei »Otac« habe er schon zu Beginn gewusst, dass es kein Film mit Happy End werden würde, aber er wusste, dass es Hoffnung gibt, und das sollte auch der Film klarmachen.

  • 08.01.2022 17:39 Uhr

    Rania Khalek: »Verbrechen des US-Imperialismus enthüllen«

    Matthias István Köhler
    DSCF7927.JPG
    Rania Khalek: »Jeder Staat, der nicht die ihm zugewiesene Rolle des US-Imperialismus spielt, wird dämonisiert«

    Die US-amerikanische-libanesische Journalistin Rania Khalek sprach auf der XXVII. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz zu »Gleichschaltung der Medien: Manipulation vor Information«. Sie sieht das Ziel ihrer Arbeit darin, die »grausame und parasitäre Natur unseres US-geführten globalen imperialistischen Systems« zu enthüllen. Khalek erinnerte daran, dass der Aufstieg Chinas in den USA eine wahre Panik ausgelöst habe, was zu einem neuen Kalten Krieg geführt habe. Jeder Staat, der nicht die ihm zugewiesene Rolle des US-Imperialismus spiele, werde dämonisiert. Den Medien, deren überwiegender Teil in den Händen einiger weniger Milliardäre sei, komme hier eine gewichtige Rolle zu, weil sie die Darstellung des US-Außenministeriums übernehmen. Sie schwiegen zu US-Einmischung und insbesondere den fürchterlichen Folgen der Sanktionen – oder sie übernähmen das Framing, es handele sich dabei um den »Kampf für Menschenrechte«. Khalek zählte etliche Beispiele auf, von Kuba über Venezuela bis hin zum Iran und Syrien. Das neueste Beispiel sei die einseitige Berichterstattung über den Krieg in Äthiopien, das Land habe sie im vergangenen Monat besucht. Anstatt nun darüber zu berichten, was die USA den Ländern antun, gäben die US-Medien den Opfern die Schuld, sprächen beispielsweise von Korruption lokaler Eliten. Ihr Job sei nun, »die Menschen daran zu erinnern und zu erklären warum die Dinge passieren«.

    Zum Livestream: https://www.jungewelt.de/

Abonnieren Sie den Konferenz-Newsletter